Jeder Hype hat seinen Peak

Ulrike Wittmann, reden-wir.at

In der aktuellen Ausgabe kam es aus unerklärlichen Gründen zu einem Fehler in der Kolumne unserer neuen Kollegin und Kommunikationsexpertin Ulrike Wittmann. Statt der von ihr Geschriebenen ( s.u.) wurde nochmals die aus der Maisausgabe (Cognitive Computing) abgedruckt. Wir entschuldigen uns vielmals für diesen Fehler! Hier nun der richtige Text:

 

Jeder Hype hat seinen Peak

 

Online-Plattformen, Webportale, Apps, Messengers – günstige Formen an Kommunikationsflüssen existieren reichlich. Das Angebot wird von Jahr zu Jahr größer und dabei ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten. Das, was letzte Woche noch aktuell war, ist heute überholt und wurde bereits in der digitalen Schublade archiviert. Das Angebot boomt in einem nicht mehr überschaubaren Maße.

Für Printmedien keine leichte Aufgabe, im Wettbewerb der Informationstechnologie bestehen zu können. Aber nicht nur die traditionelle Medienwelt, auch die Musikwelt leidet unter der Wahrnehmung der Konsumenten. Der “Loudness War” der Plattenlabels, die Tendenz, Musik in immer höheren Lautheitspegeln zu produzieren, ist kein Geheimnis mehr. Ein Album aus den 70er Jahren erscheint im Vergleich oft weniger durchsetzungsfähig. Online-Zeitvertreib-Portale, die ihre Informationen aus anderen virtuellen Quellen kopieren und mit einer knackig formulierten headline für den Leser versehen. Der Wettbewerb des clickbaitings muss gewonnen werden. Eine Social App, deren USP „Authentizität“ durch Selfies mit einem Schuss Selbstironie verspricht und die verschickten Photos nach kürzester Zeit automatisch löscht.

Alles Rummelplätze der Medienwelt mit prognostizierbarem Ende?

Wenn es nach dem bekannten Zukunftsforscher Matthias Horx geht, dann stehen wir an einer Wende. Wir kommen in das Zeitalter der digitalen Vernunft. Die Medien-Ordnung wird neu gewürfelt. Erhielten vor einiger Zeit Facebook-User für 500 virtuelle Freunde noch das Prädikat “beliebt”, bedeutet es heute die neue Einsamkeit. “Jeder Hype hat seinen Peak”, so jedenfalls Horx im Rahmen des European Newspaper Congress, der kürzlich in Wien stattfand.

Nun, die mangelnde Qualität der Kommunikationsflüsse, die fehlende Achtsamkeit, der digitale (Einheits)Brei – das sind wohl alles Faktoren, die zu dieser vorsichtig formulierten Prognose führen könnten.

Ich gebe schon zu, es stellt eine große Versuchung dar, im weltweiten Netz seine persönliche Meinung kundzutun oder seinem Ärger nachzugeben. Es ist auch nicht sehr schwierig. Denn die Anonymität bedeutet Kritik im Schutz der digitalen Herde anzubringen. In Internet-Foren bleibt Netiquette ein Fremdwort und Kommentarfunktionen werden manchmal missbräuchlich angewendet. Es hat sich eine neue Art von Journalismus entwickelt, den wir nicht im Griff haben.

Die aktuelle Sinus-Studie zur Jugendmentalität in Deutschland zeigt, dass der Höhepunkt der digitalen Durchdringung und Faszination erreicht ist. Jugendliche empfinden digitale Medien immer mehr als nervend und Unsicherheiten schürend. Die digitale Sättigung ist erreicht und die bedingungslose Faszination geschwunden. Die Ergebnisse der Studie basieren auf langen und persönlichen Interviews mit Teenagern aus verschiedenen Milieus.

Jeder Trend führt irgendwann zu einem Gegentrend: Vinyl, Polaroidphotos – alles kehrt zurück. So wundert es mich nicht, dass ein Smartphone-Unternehmen die “Huckepack-Strategie” mit einem traditionellen und auf “Wahrnehmung” konzentrierten Kamera-Hersteller verfolgt. Es existiert also ein eindeutiges Verlangen nach beständiger Qualität, die einer nicht mehr greif- und bezifferbaren Quantität den Rang nehmen soll.

Citius, altius, fortius – ausgediente Ideale in der Medienwelt? Traditionelle Medien müssen sich neu erfinden, denn es geht um das Bewusstsein neuer Medien-Qualität. Es ist der Inhalt, über den wir reden sollten! www.reden-wir.at

Ulrike Wittmann, MSc/akad. gepr. PR-Beraterin