Die Frage, ab wann (jeder) Mensch käuflich ist, wird in Gesellschaftskreisen immer wieder gerne gestellt: lässt einem die Aussicht auf Geld, Macht, Wohlstand die eigenen Überzeugungen vergessen und sich für die vermeintlich einfachere Lösung entscheiden? Aber wäre es dies wert?
Shai Tamus ist ein Journalist, der am Anfang seines Weges durch seinen frischen Schreibstil und seine häufigen Fernsehauftritte einige Berühmtheit erlangte. Doch über die Jahre sinkt sein Erfolg, seine Kolumnen werden auf die hinteren Seiten der Zeitung verbannt, und er ist fast vergessen. Auch die Liebe seiner Frau Alona, die sich in angesehenen Galeristenkreisen bewegt, scheint er zu verlieren. Und die Kinder interessieren sich immer weniger für ihn. Als er die Gelegenheit erhält, wieder im Fernsehen aufzutreten, auf der ganz anderen Seite, im patriotischen Kanal, ergreift er sie wie einen Rettungsring. Shai merkt nicht, wie er instrumentalisiert wird, und tut nun alles, damit ihm der Erfolg nicht wieder abhandenkommt.
Der israelische Autor Yishai Sarid zeigt in seinem neuen Buch auf, wie leicht sich sogar ehemalige Regierungsgegner in Verlautbarungsorgane verwandeln können, war seine Hauptperson früher persönlich erbitterter Gegner und journalistisch immer auf der sachlichen Ebene, so biedert er sich immer mehr an das Regime an und befolgt jeden Order, der ihm vom Pressesprecher erteilt wird. Obwohl sich seine Familie von ihm abwendet, glaubt er noch immer, dass er ein wichtiger Journalist ist, der recht hat. Leider zeigt der Roman auch auf, wie sehr Medien mit Schuld an der Spaltung der Gesellschaft sind. Ob man nun an Nethanjahu oder Trump denkt, ist hinlänglich, sie verfolgen dasselbe Ziel: unüberwindbare Gräben in einer Nation zu graben.
Und leider trifft dieses Zitat auf die Genannten nicht zu: „Es ist leicht, in düstere Prophezeiungen zu versinken, aber die Realität zeigt, dass extremistische Politiker gemäßigter werden, sobald sie an die Macht kommen.“
Yishai Sarid: Chamäleon (Kein & Aber) Euro 25,-