Ein dienstfertiger Samurai zieht von dannen

Einer der ungewöhnlichsten „Kämmerer“ geht in Pension: Dr. Werner Müller, Geschäftsführer des Fachverbands Film und Musik.  Gewohnt pointiert teilt  der Müller ( wie er genannt wird) noch ein paar Erfahrungen und Weisheiten mit.

Müller, 17 Jahre Fachverband, wie war die Vergangenheit, wie wird die Zukunft?
WERNER MÜLLER: Herausfordernd – beides.

Geht es etwas konkreter? Was waren die Highlights der Vergangenheit?
MÜLLER: Als ich 2003 in den Fachverband kam, ziemlich per Zufall übrigens, war ich ein vollständiger Rookie und damals wie jetzt stand der Fachverband vor einem Generationenwechsel und der Ablöse der „großen Alten“ durch die „jungen Löwen“. Dank Michael Wolkenstein, Martin Schweighofer von der AFC und vor allem Veit Heiduschka habe ich am Anfang durch Zuhören und viel Wein trinken bei abendlichen Gesprächen in kurzer Zeit viel gelernt und die ersten 1-2 Jahre mit viel Arbeit und Dauer-Diarrhoe zugebracht, bis mit etwas Grundwissen und strategischer Arbeit begonnen werden konnte. Die wesentlichen Teile der Arbeit habe ich dann mit Dany Krausz als Obmann verbracht und wir haben uns – denke ich – ziemlich gut zusammengerauft – er mit seinem strategischen Denken und ich mit einer gesunden Pragmatik  und dem Bestreben, den Job zu erledigen. Sun Tsu hat mir mit „der Kunst des Krieges“ und das „Hagakure“ mit den Anleitungen für den dienstfertigen Samurai ziemlich geholfen und natürlich ein paar sehr engagierte Funktionäre im Fachverband.

Und was waren die größten Erfolge?
MÜLLER: Eine der ersten einschneidenden Erfahrungen, dass man tatsächlich etwas bewegen kann, war die Gründung des Musikfonds. Natürlich ist das nur mit einem hervorragenden Team zusammen mit dem engagierten Georg Tomandl, Horst Unterholzner und Harry Fuchs gelungen. Erfolge sind nie eine Einzelleistung und  wir waren gemeinsam ein ziemlich überzeugendes Team und überzeugten den damaligen Kulturstaatssekretär Franz Morak, Geld zuzuschießen. Der war übrigens ein schwieriger Mensch, aber hatte Handschlagqualität und für den Musikfonds sollte man ihm wohl dankbar sein. Ein ähnliches Erfolgsmodell ist uns  ein Jahrzehnt später mit dem VPF-Modell der Verleihwirtschaft gelungen – da war die nunmehrige Kulturstaatsekretärin führend beteiligt. Eine Zeit lang hätte ich gerne jedes Jahr einen strukturellen Erfolg für Film- und Musikwirtschaft für mich verbuchen wollen, das ist aber in dieser Konsequenz leider nicht gelungen.

Und  die Misserfolge…?
MÜLLER: Wer keinen Fehler macht, macht im Regelfall nichts. Meine Selbstständigkeiten waren für viele Funktionäre ein ständiges Ärgernis. Gern erinnere ich mich auch noch an den intensiv geplanten Kinotag des Österreichischen Films, wo wir erst gegen Ende der Planung drauf gekommen sind, dass einige meiner Filmproduzenten am Startwochenende ihre „besten Filmpferde im Stall“ herschenken müssten. Aus dem Tag des Österreichischen Films ist dann übrigens glücklicherweise nichts geworden, aber die Diskussionen davor waren nicht entspannt.

Corona traf auch die Film- und Musikwirtschaft und den gesamten Eventbereich wie mit einer Keule. Wie wird sich die Branche entwickeln?
MÜLLER: In wirtschaftlicher Hinsicht ist manchen kleinen Unternehmen dieser Branche schon vor Corona das Wasser bis zum Hals gestanden. Da kommt eine Virus-bedingte Flut einer existenzschädigenden Katastrophe gleich und ich gehe davon aus, dass wir im kommenden Jahr Unternehmen verlieren werden. Leider sind ja auch die an sich lobenswerten Maßnahmen der Bundesregierung in manchen Bereichen der Kulturwirtschaft nicht angekommen. Dazu kommt, dass das geändertes Medienverhalten und die Auswirkungen auf unsere Geschäftsmodelle ja schon seit Jahren ein großes Fragezeichen sind. Wie geht es mit den Kinos weiter? Werden jetzt alle nur mehr streamen? Wird es im nächsten Jahr überhaupt noch Kinos als Abspielfläche für (österreichische) Filme geben? Wo ist die strategische Antwort v.a.  vor allem bei den Förderungen, die allesamt noch viel zu stark auf die linearen Medien fokussiert sind. Hier gibt es also extrem viel Handlungs- und Änderungsbedarf und wenn es irgendetwas positives an dieser Pest gibt, dann ist es wohl, dass nun tatsächlich endlich alle dazu  Lösungen finden sollten.

Und was haben Sie uns noch auszurichten?
MÜLLER: Nur weil mir immer wieder die Galle hochkommt: diese gefühlte Jahrhundertealte Diskussion zwischen Kunst und Kommerz geht mir schon so auf den … (flucht haltlos). Ich verstehe nach wie vor nicht, warum es so viele nicht kratzt, dass der Besucheranteil österreichischer Filme in österreichischen Kinos mit rund 3% eine Schande ist. Da herrscht offensichtlich mancherorts die dem deutschen Geniekult geschuldete Ansicht, dass ein Film der nicht gesehen wird, automatisch ein Geniestreich ist. Das ist aber genauso wenig der Fall wie das Gegenteil.

Gibt’s einen Rat für die Zukunft?
MÜLLER: Ratschläge der Altvorderen sind im Regelfall unerwünscht. Einer aber schon: Film- und Musikwirtschaft sind – auch in ihrer Konkurrenz um Förderungen und Programmbudgets – schon aus der Natur ihres Geschäfts her kreative Individualisten. Trotzdem – ohne Solidarität geht nichts; unsolidarische Einzelkämpfermentalität nützt nur der Politik.  Antipathien oder andere persönliche Befindlichkeiten haben in professioneller Arbeit nichts zu suchen. Eine gemeinsame solidarische Strategie, am besten noch zusammen mit den Film- und Musikschaffenden – dann ist die Gruppe laut genug, um auch von der Politik wahrgenommen zu werden. Das haben wir in der Vergangenheit ebenso oft erlebt wie leider das Gegenteil, wo Einzelinteressen das gemeinsame Ganze hintertrieben haben. Ich würde mir wünschen, dass in einer ohnehin polarisierten Gesellschaft die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns stärker erkannt wird. Auch wenn es jetzt im kleinen Österreich insgesamt 4 Filmproduzentenverbände – ein Wahnsinn ! – gibt, sollte das möglich sein.