Paneldiskussion mit: Paulina Parvanov, Michael Bencsis Eva Maria Bauer und Nuri Nurbachsch,
Gemeinsame Vertretung der Independent-Musikwirtschaft in Österreich? Wie groß ist die Schnittmenge der gemeinsamen Interessen?
Anlässlich seiner Generalversammlung lud der VTMOE (indies.at) zu einer Diskussionsrunde, um auszuloten, wie seine Mitglieder zu einer Erweiterung des Verbandes stehen würden. Einleitend erklärte der Vorsitzende Alexander Hirschenhauser die Beweggründe dahinter: Die Musikwirtschaft (nicht nur) in Österreich verändere sich rasant, weil in der Branche darüber derzeit viel diskutiert wird und weil der VTMÖ – so wie schon seit vielen Jahren gewohnt – Teil der Lösungen sein will, wenn in einer sich verändernden Musikszene neue Problemstellungen auftauchen. Auf der Suche nach Lösungen stellt sich nämlich oft heraus, dass Mut zu Veränderungen die gesuchten Lösungen näherbringen kann. Deswegen sein Vorstoß, um herauszufinden, ob eine gemeinsame Vertretung der Independent-Musikwirtschaft hierzulande erwünscht ist. Die kleinteilige Musikbranche könnte mit einer gemeinsamen Stimme stärker auftreten, viele Bereiche gehen ineinander über, es gibt heutzutage kaum mehr ein Label, das nicht auch Management oder Booking dazu mache und vice versa. Wäre es da nicht vernünftig, die Kräfte zu bündeln?
Die Moderatorin des Panels Paulina Parvanov (►Raspberrysoda, stellte diese Anfangsfrage gleich an Eva-Maria Bauer (Präsidentin des ►ÖMR) und wollte u.a. wissen, wie der Musikrat damit umgehe. Bauer zeigte auf, dass sowohl ein großer Aufsichtsrat (wie ihn der ÖMR hat) eine Herausforderung darstellt, es aber andererseits für die vielen Einzelnen von Vorteil ist, wenn gegenüber Stakeholdern mit einer Stimme aufgetreten wird. Die Balance zwischen Leitungsteam und Aufsichtsrat muss passen, es müssen sich alle gehört fühlen, um eine entsprechende Repräsentanz zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang verwies sie auch auf die Wichtigkeit von Zahlen: Ohne beweisbare Fakten ist es schwierig zu argumentieren und seine Wünsche zu lobbyieren. Sie sieht ihre Rolle wie die einer Übersetzerin, die die Anliegen der Branche an die Allgemeinheit transportiere.
Nuri Nurbachsch (►Am Leben), der sich 2024 nach langen Jahren bei Majors als Talent Management Agentur selbstständig machte, verglich die angesprochene Situation mit seiner eigenen beruflichen. Alleine zu agieren biete durchaus viele Vorteile, da man nach seinen eigenen Grundsätzen arbeiten könne und gerade im Management es um eine persönliche, vorzugsweise langlebige Beziehung gehe, anderseits stehe man bei Problemen alleine da. Er sei Mitglied der EMMA (European Music Managers Alliance) und dieses Netzwerk sei in seiner täglichen Arbeit überaus hilfreich. Man müsse sich aber immer bei jeder/m einzelnen KünstlerIn überlegen, was kann und will ich abdecken, wo kommt es zu einem Conflict of Interests. Gerade deswegen sieht er im Austausch mit anderen einen Verbesserungsgrad.
Michael Bencsics (►Bench Music), der jahrelang bei Universal Music tätig war und jetzt hauptsächlich Booking betreibt, findet den ständigen Kampf des Über-/Unterbietens von Bookingagenturen äußerst nervenaufreibend und rief zur Zusammenarbeit auf: „Es ist genug für alle da“. Der Austausch und damit auch verbunden das gegenseitige voneinander Lernen könne nur von Vorteil sein. Gerade die Vielfältigkeit, die eine Hereinnahme von BookerInnen und ManagerInnen in den VTMÖ hätte, würde für alle von Vorteil sein.
Die Professionalisierung der Branche durch Fortbildung war ein weiterer wichtiger Punkt im Gespräch. Gemeinsam ließen sich leichter Tools entwickeln, die man dann Stakeholdern oder der Politik vorstellen könne.
Wie viele Bezeichnungen es für ihre Tätigkeit gäbe, wo sich aber am ehesten Geld verdienen ließe, zeigte die Wortmeldung von Charlie Bader (Medienmanufaktur) auf: „Wenn ich mit Medien spreche, bin ich Manager, wenn wir einen Release haben, bin ich Labelbetreiber, aber zu 90 % ist meine Arbeit die eines Bookers. Ich bin überzeugt, dass der Markt noch mehr BookerInnen vertragen könnte, ich stelle gern mein Wissen zu Verfügung.“ Ähnlich Hannes Tschürtz (Ink Music) der gerade von einer Konferenz in Dänemark kam und sich von der dortigen Sharing Culture besonders beeindruckt zeigt.
Als die Frage nach den Wünschen kam, herrschte zuerst offenbar Ratlosigkeit, aber dann wurde es konkreter. Michael Bencsics plädierte für die Aufnahme von Booking, Publishers und Managern, da es eben eine gemeinsame, starke Stimme brauche, um in der Politik seine Anliegen vortragen zu können. Günter Wildner (ÖMR) sprach von den Bedingungen für Artist Development, wünscht sich eine Förderung für Newcomer, eine Schallplattenwoche, mehr heimische Musik in den Medien und generell mehr Sichtbarkeit der Branche.
Als konkretes Beispiel für die Vorteile einer Vernetzung sprach Christian König (Tivoli )die Releasestrategien an: nachdem viele Venues wachsende Vorlaufzeiten haben, wäre es umso wichtiger, vorab zu wissen, wie eine Veröffentlichungsstrategie ausschaue.
Zur Erheiterung trugen ein wenig die diversen Mitgliedschaften bei der Wirtschaftskammer bei, auch da wäre es ratsam, alle, die für Musik zuständig sind, in einem Fachverband zu bündeln.