Zum Abschied eines Großen – Nachruf auf Stephan von Friedberg

Stephan Friedberg bei der 50-Jahre Feier der LSG im Jänner 2019

 Ein Nachruf von Franz Medwenitsch

Stephan von Friedberg war eine jener seltenen Persönlichkeiten, die nicht nur über Jahrzehnte in der österreichischen Musikbranche arbeiteten, sondern diese bis heute prägten und menschlich enorm bereicherten. Nun ist Stephan von Friedberg in seinem 94. Lebensjahr verstorben – ein enormer Verlust für die Branche und alle seine Wegbegleiter, sei es beruflich oder privat.

Friedberg begann in den 1960er-Jahren zunächst als Vertriebsleiter und dann als Alleinvorstand bei der Amadeo Österreichische Schallplatten AG und wechselte Mitte der 1970er-Jahre in die Geschäftsführung der Bertelsmann-Tochter BMG Ariola (Austria), die er bis in die 1990er-Jahre innehatte. In seine Anfangszeit fielen heute bereits legendäre Gesamtaufnahmen der Beethoven-Sonaten mit Friedrich Gulda oder des vierhändigen Klavierwerkes von Wolfgang Amadeus Mozart mit Jörg Demus und Paul Badura-Skoda.

Gleichzeitig zählte Friedberg zu den ersten Förderern des Austro-Pop. Er initiierte – quer durch alle Genres – Produktionen mit André Heller, Wolfgang Ambros, Jack Grunsky, Georg Danzer, Novak’s Kapelle, den Schmetterlingen, Peter Alexander, Udo Jürgens, Rainhard Fendrich, Stefanie Werger, Hubert von Goisern, die Stoakogler, Minisex, Hansi Lang, Ostbahn-Kurti, Heli Deinboek oder Sigi Maron. Über das Verhältnis des überzeugten Liberalen Friedberg zum ebenso überzeugten Kommunisten Sigi Maron – von Friedberg gerne „mein bolschewistischer Freund“ genannt – erzählt man sich viele Anekdoten. Friedberg war ein großer Mentor, aber er drängte sich nie in den Vordergrund – diesen Platz überließ er gerne den von ihm geförderten Künstlerinnen und Künstlern. Er zog im Hintergrund die Fäden, mit viel Verstand und Geschick.

Außerordentlich erfolgreich waren auch die Video-Veröffentlichungen von Klassikern des österreichischen Kabaretts, wie der „Herr Karl” mit Helmut Qualtinger oder „Farkas und Waldbrunn” sowie der Library-Produktionen des ORF „Österreich I” und „Österreich II” von Hugo Portisch. Friedberg verstand es, sein Gespür für den Geschmack des zahlenden Publikums und seinen Kunstsinn ideal mit seinem ausgeprägten Geschäftssinn zu verbinden. Einem guten Deal war er niemals abgeneigt. Im Jahr 1991 übernahm BMG Ariola unter Friedbergs Führung erstmals die Marktführerschaft in Österreich.

Nach seiner Pensionierung war Stephan von Friedberg als Schiedsrichter und Gutachter in Fragen der Künstler- und Produzentenrechte und im Auftrag des Kulturministeriums als Staatskommissär für Verwertungsgesellschaften tätig. Als gerichtlich beeideter Sachverständiger hatte er den Nachlass von Falco finanziell zu bewerten.

Über seinen eigentlichen Brotberuf hinaus widmete sich Friedberg mit großem Einsatz der Weiterentwicklung des Urheberrechts der Tonträgerproduzenten und ausübenden Künstler und der Interessenvertretung für die Musikwirtschaft. IFPI Austria, der Verband der österreichischen Musikwirtschaft, der auch die Stimme Österreichs im weltweiten Musikverband IFPI ist, wurde im Jahr 1968 auf Betreiben Friedbergs gegründet. Er war Generalsekretär und Präsident des heimischen Verbands und von 1982 bis 1989 Mitglied des Main Boards von IFPI International – eine Funktion, die weder vor noch nach ihm jemals ein Österreicher bekleidete.

Zu den wesentlichen Errungenschaften Friedbergs zählt die Gründung der gemeinsamen Verwertungsgesellschaft der Musikproduzenten und Interpreten LSG im Jahr 1968. Er schaffte im Gründungsstadium den Ausgleich zwischen den manchmal auch gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen der Künstler und der Produzenten und schloss als Verhandlungsführer der LSG auch die ersten Lizenzverträge mit dem ORF und der Wirtschaftskammer ab. Bei der 50-Jahre Feier der LSG erzählte er auf offener Bühne von der Geburtsstunde der LSG und der Rolle des Verbands, den er salopp als „Plattenkartell“ bezeichnete. Heute steuert die LSG jährlich rund 35 Millionen Euro zum Lebensunterhalt der Musikschaffenden und zu den Erträgen der Musiklabels bei. Am Anfang standen Friedbergs Engagement und Weitblick.

Mit dem Aufbau der Interessenvertretung in Österreich und der Gründung der Verwertungsgesellschaft LSG hat Friedberg neben seinen Erfolgen als Amadeo- und BMG Ariola-Geschäftsführer zukunftsorientiert und nachhaltig Großes für die heimische Musikbranche geleistet. Für seine Verdienste wurde ihm im Jahr 2001 der Berufstitel Professor verliehen.

Stephan von Friedberg war ein großbürgerlich erzogener Liberaler mit adeligem Hintergrund, der gerne reiste und notorisch über den Tellerrand blickte. Zurecht wurde er als „Sir“ bezeichnet. Er war ein Familienmensch, sehr konsequent in seinen Anschauungen und einer mit dem man sehr gut streiten konnte. In einem Gastkommentar mit dem Titel „Die vielen Leiden der Liberalen in Österreich“ schrieb er im April 2014 über 80-jährig in der Presse:

Liberalität ist kritische Offenheit gegenüber allen gesellschaftlichen Entwicklungen. Das hat nichts mit Übereinstimmung zu tun, dafür aber mit Toleranz. Ich bekenne offen, dass sich in letzter Zeit meine Intelligenz und meine Toleranz vermehrt in den Haaren liegen. Gewissen Erscheinungen gegenüber stehe ich – für mich betrüblicherweise – mit wachsender Intoleranz gegenüber. Ich bin nicht bereit, Unvernunft zur Vernunft oder Unmoral zur Moral zu erklären, nur weil es dem Zeitgeist entspricht.“

Mit Stephan von Friedberg verliert die österreichische Musikbranche nicht nur eine ihrer prägenden Persönlichkeiten, sondern auch einen Mann mit vielen Eigenschaften. Er wird fehlen.