Die Liebesphasen des Julian Le Play

Wer in Wien Hietzing die Maxingstraße kennt, weiß, dass es sich um eine Durchzugsstraße u.a. hinauf zum ORF handelt. Wer das Glück hat, in das Innere einer der dort in einer Reihe sich befindlichen Großbürgerhäuser hinein schnuppern zu können, wird höchst erstaunt sein. Dahinter befinden sich großartige, ruhige Gärten. In einer davon steht die Villa La-La, eine Villa Kunterbunt für MusikerInnen. Hausherr ist u.a. Julian Le Play, der dort anlässlich seines neuen Albums „Tabacco“ zum Interview empfängt.

Viele Zimmer beherbergt diese ehemalige Villa der neuseeländischen Botschaft und die werden auch für diverse Aktivitäten gebraucht: so seien einige längerfristig vermietet, manche werden für Songwriting-Workshops genutzt, manche auch nur, um sich zurück zu ziehen und Inspirationen zu finden. „Ich war früher ein Einzelkämpfer, dachte immer, dass meine Musik nur gültig ist, wenn alles von mir stammt, bis ich nach dem dritten Album ausgebrannt war und auf meinem jetzigen Partner filou traf. Es war befreiend, zu sehen, dass man sehr wohl mit anderen gemeinsam Songs komponieren kann und sie trotzdem als sehr persönlich empfindet,“ erklärt Julian le Play anhand seiner eigenen musikalischen Sozialisation die Gründe für die Villa La-La. Es ist immer jemand da, mit dem man sich austauschen kann und jeder entscheidet komplett frei, ob und wie lange er bleibt Der „Hausherr“ selbst hat Zeiten, wo er fast ununterbrochen im kreativen Austausch mit den anderen Bewohnern ist und dann wieder die Einsamkeit benötigt. „Ich bin voll der Phasentyp, immer nach dem Motto ganz oder gar nicht“, lenkt er gewieft auf sein Album über.

Das Thema in etwas hinein zu kippen und keinen Ausweg mehr zu finden, zieht sich durch das ganze neue Album. Auf „Tabacco“ zelebriert er die menschlichste aller Süchte: die Lust am ungebremsten Spüren, Erleben und Genießen – mitsamt der Magie und der Schattenseiten. Kurz: das, wofür er nachts wachbleibt. Und das, was ihn wachhält. Denn auch die Sehnsucht ist eine Sucht. Und sie hat einen manchmal schneller, als man denkt.

„Ich komm nicht mehr los von dir / Ich krieg dieses Hoch von dir / Tabacco / Du bleibst in meiner Luft“, singt le Play im Titelsong von diesem einen Menschen, von dem er nicht mehr loskommt. Es ist le Plays wohl ausdrucksstärkster Song und fängt unvergessliche Momente eines Hochgefühls ein. Gefühle, die sich langsam aufbauen, vom ersten Sehen bis zur Abhängigkeit von einem anderen Menschen will er mit seinen Songs wiedergeben.
Der rote Faden zieht sich auch durch die Videos, die Julian gemeinsam mit der Regisseurin Jasmin Baumgartner produziert. „Wir schwimmen auf derselben Wellenlänge, es ist alles so unkompliziert und oft spontan. Wenn wir die Idee haben, in einem roten Mohnfeld zu drehen, dann fahren wir spontan ins Waldviertel und legen dort los, vorausgesetzt die Blumen blühen und die Sonne scheint“, freut er sich über die Zusammenarbeit. Wer die ästhetisch höchst ansprechenden Videos genauer ansieht, wird auch darin die Entwicklung, die sich durch die Texte zieht, wiederfinden. Es beginnt mit dem Lied „Porzellan“, das noch mit dem Weglaufen endet und geht über „Schlafwandler“, „Woodstock“ bis eben hin zu „Tabaccho“ als extremster Ausdruck einer Leidenschaft.
Ihren Ursprung haben die Songs in durchgemachten Nächten und ihren Begegnungen und Begebenheiten. Kleine große Geschichten, wie sie oft nur das Leben selbst hinkriegt, lässt der Wiener Musiker in diesen neuen Stücken Revue passieren. Und egal ob im „Urlaub“ oder auf der „Achterbahn“: Irgendwie fühlt es sich immer wieder an, als wäre man selbst mit dabei. Vibes, die gerade nach den Corona-Stillstandsjahren mehr als guttun.
Initialzündung war die »tandem«-Tour im Mai 2022, die le Play auf einer Welle der Euphorie direkt in ein neues Kapitel hineinspülte. Vor Inspiration sprudelnd und gepackt von der Lust auf Veränderung, begann die Arbeit an »Tabacco« – und entwickelte ihren ganz eigenen Suchtfaktor. Diese außergewöhnliche Energie hört man dem Album sofort an, auch in seinen melancholischen, reduzierten Momenten. Die Synths des Vorgängers rücken wieder in den Hintergrund; die E-Gitarren bekommen mehr Raum. Ein kleiner Tribut des Arctic-Monkeys- und The-Kooks-Fans an seine Bandmusik-Anfänge.

Nach 5 Alben hat der 32-jährige mittlerweile auch die Sicherheit und das Selbstvertrauen ganz auf sein eigenes Ding zu vertrauen. Das macht sich nicht nur in der Musik und den dazugehörigen Videos bemerkbar („Es war eine tolle Erfahrung als ich bei Universal Deutschland unter Vertrag war und wir ein Video in Los Angeles drehen durften, aber das brauche ich heutzutage nicht mehr. In den aktuellen Videos sind Orte wie der Franziskanerplatz, Café Europa, Eissalon Tichy oder die Fledermaus“-Bar drinnen, an denen ich mich selbst gerne aufhalte, diese Authentizität ist wohl spürbar.“) sondern auch in der Vermarktung. Das Album erscheint auf dem eigenen Label Troubadour, Promotion, Marketing, Booking wird im gemeinsamen freundschaftlichen Arbeiten mit dem Brüderpaar Elias & Matthias (filou) Oldofredi erledigt. „Es ist mir nicht primär wichtig, wie erfolgreich das Album ist, sondern wieviel Spaß in der Arbeit dabei war. Wenn mir/uns eine Textzeile wie Mit dir fühlt es sich wie Woodstock an, nur dass ich sonst niemand lieben kann“, einfällt, ist das einfach nur befriedigend. Natürlich war es toll, am Donauinselfest vor Tausenden von Leuten zu spielen und freue ich mich auf die geplante Tournee, aber die Grundmotivation Musik zu machen, liegt nicht im Wirtschaftlichen“, erklärt der geborene Julian Heidrich.

Konsequent bleibt er auch beim Hochdeutsch, auch wenn ihm das am Anfang einige verübelten und kritisierten, warum er als Wiener nicht im Dialekt sänge. „Nicht alle in Wien sprechen Dialekt, gerade in unserer Zeit sind die Sprachen sehr vermischt und auch wenn ich großen Respekt vor Austropoppern wie Ambros & Co habe, so ist das nicht mein Stil. Meine Sprache hat auch nichts mit dem Schielen auf den großen Markt Deutschland zu tun, sondern sie ist eben mein Ausdruck. Ich denke, mein Publikum sind Menschen, die sich lieber einen Gedanken mehr als weniger machen, die von Texten auch eine gewisse Tiefe erwarten, egal wie man die Worte ausspricht. Und allen zu gefallen, gelingt ja eh niemandem!“

Julian Le Play: Tabacco (Troubadour Records)
Der Musiker Julian Le Play weiß, wie man Ohrwürmer schreibt. Charmant besingt er die verschiedenen Formen der Liebe und zeigt vor allem in den Videos auch seine Vorliebe für visuelle Details. Und radiotauglich sind die Songs allemal!

Termine:
https://julianleplay.com/home/#tour