Die Sache mit der Prostata

Fast 25 Jahre nach Erscheinen der englischsprachigen Ausgabe ist dieser Campusroman des US-amerikanischen Schriftstellers Richard Russo nun auch auf Deutsch erschienen und das Erstaunliche daran ist, dass die Geschichte zeitlos aktuell ist.

William Henry „Hank“ Devereaux Jr. ist Vorsitzender der Englischfakultät einer kleinen Universität in Pennsylvania und daran gewöhnt, sich den Ernst des Lebens mit den Waffen der Ironie vom Leib zu halten. Eigentlich ist er ein gemachter Mann. Er ist glücklich verheiratet, Vater zweier Töchter, hat vor Jahren einen Roman veröffentlicht, der immerhin ein Kritikererfolg war, und bestimmt die Geschicke der Universität entscheidend mit. Eigentlich. Denn auf einmal kommt diese eine Woche, in der wirklich alles schiefgeht: Hank gerät mit seinen Kollegen aneinander, die Fakultät ist von Budgetkürzungen bedroht, er zweifelt an seiner Ehe, und dann ist da noch die Sache mit seiner Prostata …
Auf 600 Seiten entwirft Russo ein gesamtes Universum, erfindet so viele interessante Figuren, die jede für sich eine eigene Geschichte wert wären, spart nicht mit Sarkasmus, weiß ganz genau, wie er die Spannung aufrechterhält und gibt ein sehr authentisches Bild des US-Universitätsleben ab. Die Gespräche der Professoren drehen sich um Universitätsbelange genauso wie um Sexualtechniken, viele beginnende Wehwehchen und immer garniert mit einem Schuss Humor: „An der Frage, was Frauen wollen, ist nichts Geheimnisvolles. Sie wollen alles. Genau wie wir. Interessant ist, dass sie sich häufig mit mir begnügen,“ lässt Russo einen Womanizer sagen, der sich „gerade sorgfältig in seiner Jockey-Unterhose einrichtet“.
Dazwischen wird es durchaus auch ernsthafter, wenn er schreibt, dass „der Schlüssel für eine erfolgreiche akademische Laufbahn und womöglich auch für ein Leben außerhalb der akademischen Welt die geistige Offenheit in allen Richtungen ist“.
Wenn Rezensionen die professionelle Weiterführung dessen sind, was US-LiteraturprofessorInnen in creative writing-Stunden machen, dann bekommt Richard Russo hiermit uneingeschränkt positives Feedback. Vielleicht liegt es auch an der Übersetzung von Monika Köpfer, dass einem dieser Roman nie aus der Zeit gekommen erscheint, sondern von Anfang bis Ende ungetrübtes Lesevergnügen bereitet.
Richard Russo: Mittelalte Männer (Dumont) Euro 26,-