„Du klingst wie ein Goj“

Was ist schockierender: dass eine Frau mit 57 Jahren Zwillinge bekommt oder dass sie mit ihrem Mann öffentlich Händchen hält?
Für die meisten Menschen wahrscheinlich ersteres, nicht aber für die jüdische Gemeinde in Brooklyn, in der der vorliegende Roman spielt.
Surie Eckstein erfüllt ihr Leben als Oberhaupt einer Großfamilie und Rebbetzin. Sie erwartet gerade ihr erstes Urenkelkind, als eine Katastrophe eintritt – oder ist es ein Gottesgeschenk? Mit 57 Jahren ist sie noch einmal schwanger – mit Zwillingen! Plötzlich fühlt sich Surie, in der chassidischen Gemeinde von Brooklyn hochangesehen und ständig von Menschen umgeben, völlig allein. Nicht einmal ihrem Mann, dem Rabbi Yidel, der nicht nur ihre große Liebe, sondern auch ihr bester Freund ist, wagt sie sich anzuvertrauen, so groß ist ihre Scham. Denn was sollen bloß die Leute denken? Zum ersten Mal stellt Surie die starren Regeln infrage, die ihr ganzes Leben geprägt haben.
Könnte man der Autorin nicht vertrauen, die selbst achtfache Mutter und gläubige Chassidin ist, man würde nicht glauben (wollen), welches Frauenbild diese Gesellschaft prägt. Der mühsame, stille Kampf der Hauptfigur um ein wenig Freiheit von den starren Regeln ist bewundernswert, wie sehr ganz kleine Veränderungen ein familiäres Gefüge zu zerstören vermögen, wird eindringlich geschildert. Es sind nicht immer die Lautesten, die etwas verändern können.
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