Handy weglegen! Spazieren gehen!

Die Überschrift klingt strenger als von dem sehr freundlichen Manuel Rubey intendiert. Er will uns doch nur helfen! Sein neues Buch ist zwar dezidiert kein Ratgeber, aber nach der Lektüre fängt man schon auch an, in seinem eigenen Leben etwas Ordnung und Disziplin reinzubringen. Der als Falco bekannt gewordene Schauspieler ist aus der deutschsprachigen Filmwelt nicht mehr wegzudenken. Und singen, schreiben und spielen kann er auch noch.

Hat man ein Interview mit Multitalent Manuel Rubey ausgemacht, muss man kurz innehalten und sich überlegen, in welcher Form hat man ihn zuletzt gesehen: als Fernsehkommissar, als Sänger bei der Band Familie Lässig, als Moderator, Kabarettist oder Duopartner von Thomas Stipsits. Und jetzt ist er auch noch seit einigen Jahren erfolgreicher Buchautor. Bei anderen könnte man neidisch werden, nicht aber bei diesem umgänglichen Menschen, der hinter all seiner Verbindlichkeit doch klare Grenzen abgesteckt hat. Klar, als öffentliche Person will man seine Privatsphäre schützen, aber Rubey ist einer derer, die man auch als „Gutmensch“ kennt. Und dieses Kompliment für wahre Humanisten darf man sich nicht wegnehmen lassen.
Nun aber zu seinem neuesten kreativem Produkt und zwar dem Buch: Der will nur spielen.
Offen, mit viel Witz und Selbstzweifel lässt uns Rubey an seinem Leben als fahrender Künstler teilhaben. „Warum hat es nur bis Attnang-Puchheim gereicht und nicht bis New York? Warum ist Simon Schwarz permanent in Filmen zu sehen? Warum quält der Erfolg anderer so sehr?“

Rubey stellt tiefe Fragen und liefert mit leichter Hand seine Anschauungen. „Ich fühle mich der amerikanischen Erzähltradition verpflichtet, ich möchte in all meinem Tun die Menschen bezaubern und auch wenn es mit einer Leichtigkeit einher geht, steckt dahinter viel Arbeit und Disziplin“, verrät der Autor, der sich selbst zum Ziel gesetzt hat, täglich mindestens 2 Stunden zu schreiben. „Schreiben ist so einfach wie flanieren, man braucht fast gar nichts dafür, außer Neugier, aber selbstverständlich ist dieses Buch mehr als nur meine Tagebuchaufzeichnungen. Ich habe sicherlich ein Jahr daran gearbeitet, denn die Menschen, die das Buch kaufen, haben ja einen Mehrwert verdient. Ich habe schon einen Filter eingebaut, autobiografischen Erlebnisse wurden fiktiv umgesetzt und so erfährt man zwar einiges von meinem Leben, aber dennoch ist es Fiktion“, erklärt er sein Buch, das sich schwer einordnen lässt. Ein wenig Ratgeber, ein wenig Motivationshilfe, ein wenig Gesellschaftskritik, ein bissl Logbuch, aber im Grunde ein großer Appell an die eigene Kreativität. Er selbst schreibt seit Jahren nur über die Dinge, die mit ihm zu tun haben, die er beobachtet, mit denen er sich auskennt. Und genau das meint er im Gespräch, solle jeder ausprobieren, denn „eine halbstündigen Stunde sich täglich hinzusetzen und zu reflektieren hat wohl jeder Zeit“.
Rubey selbst ist ein großer Disziplinierter, muss er sein, da für ihn „Kreativität eine Diva ist, die ohne Disziplin sich zerfranst und flüchtig wird. Es ist eine ständige Herausforderung mit Ablehnung und Misserfolg leben zu lernen. Ich muss die kreative Arbeit an sich so lieben lernen, dass ich weiter mache. Immer und immer wieder. Es geht um die Ausdehnung der Fantasie. Wenn ich es schaffe wochenlang wirklich jeden Tag zu schreiben, dann entdecke ich in meinem geistigen Areal plötzlich Räume, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte. Neugierde ist wahrscheinlich noch wichtiger als Leidenschaft.“

Im Gegensatz zur Meinung, dass Künstler in den Tag hineinleben bzw. die Nacht zum Tag machen, findet er aufgrund seiner Liebe zur Literatur, dass genau das Gegenteil der Fall ist: „Alle großen LiteratInnen sind wahnsinnig fleißig, zumindest steht es so in den vielen Biografien, die ich gelesen habe.“
Für den 40+-Mann passt es gut, dass die „wilden“ Jahre als Musiker(Mondscheiner)  vorbei sind und er seine größte Freude mittlerweile beim Schreiben findet. Als Künstler führe man generell kein 9 – to -5 Leben, aber für ihn als Kreativen finden die größten Kämpfe mittlerweile im Kopf statt. „Ich bin ständig am strugglen, möchte aus meinen Gedanken das Beste rausholen und täglich etwas dazu gelernt zu haben. Nur für sich und gleichzeitig für die ganze Welt, so verhält es sich auch bei den Größten unserer Zunft,“ als Beispiel dafür nennt er Paul McCartney, Meryl Streep oder Tilda Swinton etwa.
Mit seinem guten Freund und Schriftstellerkollegen Thomas Stipsits kann er zwar auflagenmäßig nicht mithalten, nichtsdestotrotz war der Erfolg seines ersten Buches für alle eine große Überraschung: „Ich habe zwar ein wenig tiefgestapelt, als ich auf 5.000 verkaufte Bücher hoffte, aber dass es mittlerweile mehr als 25.000 sind, ist eine große Freude. Ich muss und könnte davon nicht leben, aber dass so viele Menschen bereit sind, für meine Gedanken Geld auszugeben, schmeichelt schon“, gibt sich Rubey bescheiden. Und wieder einmal zeigt er sich als der komplett faire Partner. „Ich spiele zwar gerne Kommissare, aber Krimis zu lesen ist nicht meine Sache, dafür gibt es zum Glück Hunderttausend andere. Ich verstehe den Reiz, den dieses Genre hat, da Mord und Totschlag seit Beginn der Menschheit zu unserem Dasein gehören, aber darüber zu schreiben überlasse ich lieber den Meistern des Fachs.“
Woran liegt es, dass Kabarettisten in Österreich so beliebt sind, dass es eine Zeitlang die sogenannten Kabarettfilme gab, dass Wien mehr Kabarettbühnen als die meisten anderen Städte hat, dass sich Menschen, die oftmals gedanklich weit auseinanderliegen, doch auf den- oder diejenige einigen können und dass sich auch deren Bücher so gut verkaufen?
Die Popularität aus Film, Funk & Fernsehen helfe sicherlich am Anfang, doch muss man sich gerade als tourender Künstler jeden Abend aufs Neue beweisen. In Zeiten wie diesen besonders schwierig, da die meisten potenziellen ZuseherInnen noch immer zurückhaltend sind, was Kultur betreffe. Eine ausverkaufte Lesung ist schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr.
Und Künstler, die ihrem Publikum einiges abverlangen, sind wahrscheinlich überhaupt eine sorgsam zu pflegende Gruppe. Rubey nämlich nimmt nichts auf die leichte Schulter, freimütig bekennt er sich zu seinen Dämonen, zur Selbstüberwindung, zu den immerwiederkehrenden Zweifeln, ob er auch wirklich gut in seinem Beruf ist.
Wenn man sich für den schöpferischen Prozess entscheidet, heißt das auch, dass man viele Gestalten annehmen darf – am allerdeutlichsten zeigt sich das in der Schauspielerei. Kreative Menschen lassen, indem sie sich über Begrenzungen und Normen hinwegsetzen, einen Reichtum zu, den wahrscheinlich, das ist eine Mutmaßung, andere Menschen genauso in sich tragen, dies in ihrem Leben aber nicht so zeigen können, da die Vernunft anderes von ihnen erwartet.“

Im Moment gilt es,  das Buch zu promoten, sein Kabarettprogramm bis Jahresende fertig zu spielen und zu schreiben, schreiben, schreiben. „Ich arbeite gerade an einer TV-Serie und habe mir dafür die größten Vorbilder genommen, die es auf diesem Sektor gibt. Es gibt nichts Besseres als Modern Family, Sopranos und Breaking Bad. Wenn ich es annähernd dahin schaffen würde! Für mich sind die Autoren dieser Serien die Shakespeares von heute. Und die Amerikaner haben auch ganz klar erkannt, dass die Zusammenarbeit mehr als die Summe aller Teile ist. Das wäre auch hierzulande wünschenswert!“
Und was sollte sich noch zum Besseren verändern? „ Die Gelassenheit ist in unserer Zeit beinahe gänzlich verschwunden. Erregungs- und Aufregungspotentiale werden allerorts kultiviert. Wir sind auf dem Weg zu einer völlig hypersensibilisierten, aber gleichzeitig wahnsinnig aggressiven, nervösen Gesellschaft. Zuversicht sollte wieder (vor)gelebt werden!“
Nach den vielen Gedanken, die Rubey so gelassen ausspricht, traut man sich fast nicht die Banalität der Äußerlichkeit anzusprechen. Kann es sein, dass der Schnauzer & die Haarpracht in ihrer jetzigen Form freiwillig sind? Oder spielt er als nächstes Kaiser Franz Josef oder Magnum? Ja, es ist für einen Film und von Freiwilligkeit keine Spur: „Ich bin schon seit 10 Jahren nicht mehr für mein Aussehen verantwortlich, da richte ich mich ganz nach den Vorgaben, die für die filmische Person notwendig sind.

Premiere: 13. September, Wien, Rabenhof, alle Termine unter https://manuelrubey.com/home.html, https://www.styriabooks.at/der-will-nur-spielen
Manuel Rubey: Der will nur spielen (Molden Verlag) Euro 25,-
Gut investiertes Geld für alle, die ein bisschen einen Antreiber brauchen. Zusätzlich geizt Rubey nicht mit seinen diversen Listen, ob Bücher, Zitate, Gebote. Ein großes Lob gebührt auch der grafischen Gestaltung von Ursula Feuersinger, die den Inhalt kongenial umsetzte.