Uns hat die paradiesische Parabel gereizt

Nach den Vorgängerstaffeln (Ochs im Glas und Fisch ahoi!) begibt sich das unerschrockene Kulinariktrio Thomas Nowak, Florian Holzer und Ingo Pertramer diesmal auf die Spuren von Milch & Honig. Warum ihre Sendung nicht zu Servus TV passen würde und Punkrock den Ausschlag gab, erklärt die ältere Boyband passenderweise in der Location der ehemaligen Alpenmilchzentrale in Wien. (Foto: R.Knecht)

Die erste Folge der neuen Staffel dreht sich um Geburt und Muttermilch, man sieht drei Städter, die komplett ungläubig zuschauen und nicht wissen was Kolostrummilch ist. Da stellt sich schon die Frage, ob es keine Frauen im Team gibt, aber sofort wird aufgeklärt, dass in den folgenden Episoden gerade Frauen das Sagen haben werden, wenn sie erklären, was kälberfreundliche Milchproduktion bedeutet, wie Käse entsteht, wie früher gewirtschaftet wurde etc. Charmanterweise wissen sie um dieses „Handicap“, aber das hat natürlich mit der Entstehungsgeschichte zu tun.
Ingo Pertramer, im Brotberuf als Fotograf bekannt hatte vor ca. 10 Jahren die Idee, einen Film über die Schlachtung eines Ochsen zu drehen. „Wir kannten einander gar nicht, ich wusste nur, dass Thomas Nowak einen Bauernhof im Waldviertel hat und Florian Holzer als Kulinarikjournalist tätig ist. Als ich die beiden kontaktierte, waren sie sofort Feuer und Flamme und wir entschlossen uns, nachdem es keinen Auftraggeber gab, auf eigenes Risiko zu produzieren“, erinnert Ingo Pertramer an die Anfänge. Von Beginn an dabei war als Produktionsfirma Jenseide mit den Mannen Peter Schorsch & Jakob Kubizek. Letzterer stimmt denn auch ein, dass es wie Punkrock war, ohne Förderung, ohne Erfahrung, einfach mal ausprobieren und schauen, was rauskommt. Das Ergebnis war – trotz mässiger Sendezeit (dazu später) – ein Erfolg über die Szene hinaus oder wie Thomas Nowak sagt: „Das schauen alle.
Wer die ersten Staffeln kennt, litt zT mit den Protagonisten mit: wer schaut schon gerne beim Töten eines Lebewesens zu bzw. was soll man mit tierischen Teilen machen, für die man nicht mal die Namen kennt? Man fühlt sich als Zuschauerin komplett verbunden, würde man doch selbst vor Schreck die Augen verschließen oder bei den ersten fertiggestellten Produkten sofort wieder ausspucken wollen. Wie Florian Holzer zu manchem so treffend sagt: Ein Massenprodukt wird das nicht.“

Wieviel von dieser Natürlichkeit wird bewusst verwendet? „Im Schnitt werden natürlich die jeweiligen Rollen verstärkt, aber im Grunde geht es darum, ein Thema, das uns wichtig ist, möglichst unterhaltsam zu zeigen“, erklärt Regisseur & Produzent Jakob Kubizek. Milch und Honig als paradiesische Parabel, was steckt hinter dieser Idee? „Wir wollen die Licht- und Schattenseiten der Milchindustrie und der Produktion von Honig zeigen. Wir filmen zwar auf einem Biobauernhof, aber wenn man weiß, dass nur 18 % der österreichischen Milch aus Heumilch kommt, dann darf man die Augen auch nicht vor der Industrie verschließen. Es ist unser Ansatz, da ein wenig Aufklärung reinzubringen“, meint Nowak, der Mann, der im Waldviertel aufgrund seiner Brille bekannt ist wie ein bunter Hund. Gab es bis dato je Anfeindungen von Großbauern oder der verarbeitenden Industrie? „Nur als wir bei „Fisch ahoi“ einen Perlfisch aus dem Attersee fangen durften, waren die Fischer darüber nicht amüsiert, da dieser Fisch unter strengem Schutz steht, aber es war für einen guten Zweck, nämlich auf die bedrohliche Lage hinzuweisen, daher erwies sich der Gegenwind als laues Lüftchen“, erinnert sich Florian Holzer, der als Gastrojournalist schon ganz andere Reaktionen erlebte.

Was ist nun bei der dritten Staffel anders als vorher? „Erstens und das ist wahrscheinlich am Wichtigsten, es wird diesmal kein Lebewesen getötet, ich denke wir sind auch Pioniere im Leasen einer Kuh“, verweist Pertramer auf ein mögliches neues Geschäftsmodell. Ursprünglich war der Gedanke, dass die drei einen Sommer auf der Alm leben und dort hinter die Kulissen blicken (und gleichzeitig auch digital detoxen), aber da kam die Befürchtung auf, dass man mit solch einem Film in die heimatlichen Sendungen à la Servus TV fallen könnte. Über die (vermeintliche) Idylle der Bauern gäbe es schon genug, da müsse man nicht noch extra Stoff liefern. „Wir zeigen die Schönheit der Natur, aber eben nicht romantisierend. Man soll bei unserer Arbeit auch sehen, dass es anstrengend ist, dass es stinkt und dass es zu Reibereien führen kann“, erklären alle Beteiligten unisono.
Die Dreharbeiten fanden auf dem Biobauernhof Marksteiner im Waldviertel statt und alle sind voll des Lobes. „Die beiden Marksteiners sind überaus kompetent, telegen und halfen uns wirklich zu verstehen, wie die Milchproduktion funktioniert. Wir waren ja einige Wochen lang ein großer Fremdkörper in ihrem Arbeitsalltag, der wie man ja weiß, von früh bis spät andauert und wenn dann eine Filmcrew einfällt und für die Profis oft naive Fragen stellt, dann braucht das sehr viel Geduld. Aber für die Marksteiners, beide beseelte Landwirte, die vor einigen Jahren auf Demeter umgestellt haben, ist unser Film auch ein großes Anliegen. da sie damit das Thema kälberfreundliche Milcherzeugung  an die Öffentlichkeit bringen können.“

Nachdem die Interviewten zum Zeitpunkt des Interviews noch keine Folge gesehen hatten und niemand vorgreifen möchte, dreht sich das Gespräch in Folge dann um die Sendebedingungen. Die Punkrockphase der Selbstausbeutung ist vorbei, wie zufrieden sind alle mit der derzeitigen Situation? „Der ORF gibt uns alle vier Jahre einen Auftrag, was zwar schade ist, da eine engeres Zeitfenster mehr Publikumsbindung bedeuten würde, aber immerhin. Der Sendeplatz nach „Willkommen Österreich“ ist nicht ideal, aber die Meisten schauen sich die Sendung eh in der Mediathek an. Wir werden mittlerweile auch von allen möglichen Stellen dankenswerterweise gefördert und haben dadurch ein brauchbares Budget, aber. – und diesen Seitenhieb konnten sie nicht auslassen – „ unsere Produktion kostet in etwas so viel wie der Vorspann zu den „Vorstadtweibern“.“ Florian Holzer gibt auch das Darstellergehalt preis: es sind 48 Euro!
Kulinarische Themen boomen seit Jahren, bei deutschen Sendern sind sogar zur Hauptabendzeit viele Kochsendungen zu sehen, wie steht’s um weitere Ideen?
„Wir hätten genug, um jedes Jahr eine Staffel anbieten zu können, aber das Interesse des Auftraggebers ist überschaubar. Für mich wäre ein großes, europäisches Thema das Wirtshaussterben, da müsste man ein ganzes Jahr lang dran arbeiten und das können wir uns nicht leisten, aber wichtig wäre es“, ist Pertramer überzeugt. Sie haben zwar schon einen Romy bekommen, wissen auch, dass die Sendungen gut angekommen sind, aber leider sind die weiterführenden Gespräche immer wieder unterbrochen.
Was hat nun jeder einzelne von den Erfahrungen gelernt?
Man is(s)t in jedem Fall viel achtsamer und aus der TV-Boyband sind echte Freunde im Leben geworden, die gerne experimentieren und Neues in Angriff nehmen. Im Moment haben sie die umliegenden Bauern von Thomas Nowak in Erstauen versetzt: wollen die Drei doch auf 400 m Seehöhe einen richtigen Weingarten anlegen, um evtl. in vier Jahren einen Waldviertler Roten zu keltern. Sachen gibts!


Milch und Honig
Die drei kulinarischen Abenteurer Thomas Nowak, Florian Holzer und Ingo Pertramer stellen sich einer neuen Herausforderung. Sie beschäftigen sich diesmal mit den Licht- und Schattenseiten der Milchindustrie und der Produktion von Honig. Sie besorgen sich eine trächtige Mutterkuh und Bienenstöcke und sind dabei wie das Kalb zur Welt kommt. Sie kümmern sich liebevoll um ihre Tiere und setzen sich als Ziel, in wenigen Wochen all die Milch und den Honig eigenhändig zu teils exotischen Produkten zu verarbeiten. Die paradiesische Vorstellung eines Landes aus „Milch & Honig“ beginnt jedoch bald zu bröckeln, spätestens als sie das Kalb von der Mutterkuh trennen müssen, um genug Milch für ihre eigenen Produkte zu bekommen. Auch die Imkerei hat hinter der prachtvollen Fassade einige dunkle Flecken.
„Milch & Honig“ setzt damit die Argumentationslinie von „Ochs im Glas“ (Reduktion des Fleischkonsums durch Bewusstsein-Machung, dass ein Tier getötet wird) und „Fisch Ahoi!“ (Reduktion der Überfischung der Meere durch Aufmerksamkeit für heimische Fischarten) kontinuierlich fort.
Mich und Honig, eine kulinarische Serie in Folgen à 30 Minuten, läuft seit 13.9. nach „Willkommen Österreich“ auf ORF1