„Hollywood in Vienna“

Martin Gellner

Hollywood in Vienna ist ein jährlich in Wien stattfindendes Filmmusik-Gala-Konzert, in deren Rahmen der Max Steiner Film Music Achievement Award vergeben wird. DIe heurigen Konzerte am 18.+ 19, Oktober dirigerit Martin Gellner, ein Teil des Produzentenduos Beat4Feet. Wie es dazu kam, erzählt er im FSM-Interview.

Wie kommen Sie – aus dem Pop-/Musicalbereich stammend- zur Ehre des Dirigats bei den Konzerten „Hollywood in Vienna“?
MARTIN GELLNER: Nachdem ich durch mein Studium von der klassischen Musik komme und seit Jahren als Arrangeur und musical supervisor für diese Veranstaltung und auch der aktuellen Tour « The World of Hans Zimmer » tätig bin, war es naheliegend, diese Aufgabe dieses Jahr zu übernehmen. Orchestrale Musik zu arrangieren ist eine meiner Lieblingstätigkeiten überhaupt und es ist künstlerisch sehr inspirierend, für Komponisten wie James Horner, Randy Newman usw zu arrangieren. Für die konzertante Realisation von Filmmusik gehört auch, gerade im musikalischen Bereich, viel Recherche dazu. Die Scores, die man aus Filmen kennt, werden im Studio aufgenommen, sind aber vorerst nicht für eine Livedarbietung mit großem Orchester geplant. Unsere Arbeit fängt daher schon in einem sehr frühen Stadium an, vorhandenes Material zu sichten, für große Besetzung zu orchestrieren sowie teilweise aus mehreren kurzen cues für die Aufführung im Konzertsaal einen großen musikalischen Bogen zu arrangieren, der auch ohne Filmhandlung für sich alleine steht. Mich fasziniert die Beschäftigung mit Filmmusik auch, weil sie zur Geschichte Österreichs gehört, in diesem Fall leider zur unrühmlichen. Opernkomponisten wie Max Steiner oder Erich Maria Korngold, die Österreich verlassen mussten, wurden in Hollywood zu gefragten Filmkomponisten, da sie es perfekt verstanden, dramatische Musik zu schreiben. Sie kreierten mit umfangreicher Orchestrierung und romantischer Melodieführung den typischen »Hollywood Sound«, Filmmusik und Sinfonien sind einander sehr ähnlich.

Um nochmals auf Ihre Erfolge im Musical zu kommen, Sie sind sozusagen eher für das Große, Pathetische zu haben als für den simplen Popsong?
GELLNER: Ich schließe nichts aus, aber mir gefällt bei dieser Arbeit – ob Musical, Oper oder Film – eben der Umstand, dass Musik ein Teil des Ganzen ist. Erst durch das Zusammenspiel von Bühne, Licht, Schauspiel, Choreografie und Musik entstehen herausragende Performances oder wie bei „Hollywood in Vienna“ eben durch Musik und Film. Es macht Spaß einen großen Chor und Orchester zu leiten und das Entstehen solcher Konzerte von Anfang an zu begleiten. Man braucht unglaublich viel Energie, um so viele hochtalentierte Musiker zu einer Einheit zu bilden und viel Zeit in der Vorbereitung. Aber um auf den erwähnten Popsong zurückzukommen, möchte ich gerne eine Anekdote mit Ute Lemper erzählen. Nachdem wir auch den Life Ball seit Jahren musikalisch betreuen, wurden wir letztes Jahr von Ute Lemper persönlich gefragt, ob wir für sie „Sag mir, wo die Blumen sind“ für die Eröffnung am Rathausplatz arrangieren würden. Das war sehr ungewöhnlich, da es doch ein ganz reduzierter Folksong ist, aber so wie Ute Lemper es dann in unserer Umsetzung sang, war es Gänsehautfeeling pur – und das mit großer Besetzung!

Was ist der Unterschied zu einem herkömmlichen Dirigat und dem eines mit Bildbegleitung?
GELLNER: Letzteres ist sehr technisch, ich sitze quasi in einem Cockpit und steuere auch die, Timecodes – man muss sehr fokussiert sein, denn im Gegensatz zu einer normalen konzertanten Aufführung müssen der Score und Film synchron sein, damit das Geschehen am Screen mit der Musik entsprechend dramatisch unterstützt wird. Das funktioniert mit optischen und/oder akustischen synchronisations tracks (Clicks, Punches, Streamers) – auch eine Technik, die z.B. Max Steiner pioniert hat.

Kommen die Leute wegen der Musik oder wegen der Filme ins Konzert?
GELLNER: Ich denke beides, überraschend für viele ist wohl der Aufwand, der hinter konzertant aufgeführter symphonischer Filmmusik steckt. Ich spreche jetzt nicht nur von den Arrangements, sondern tatsächlich von der Anzahl an Musikern. Wenn ikonografische Stücke wie King Kong, Der weiße Hai, König der Löwen uvm. dann von Chor und Orchester in voller Lautstärke mit voller Wucht erklingen, lässt das niemanden kalt und das Schöne ist, dass Filmmusik für jeden etwas zu bieten hat, sie umfasst alle Genres, es gibt keine Abgrenzungen. Filmmusik bringt auch ein neues Publikum in den klassischen Konzertsaal.

Haben SIe persönlich irgendwelche LIeblingsfilmmusikkomponisten?
GELLNER: Alle, die bis dato mit dem Max Steiner Award ausgezeichnet wurden, waren es wert, in dieser hochkarätigen Liste fehlen glaube ich nur mehr John Williams und Ennio Morricone. Der heuer ausgezeichnete Hans Zimmer ist ein ganz Großer in seinem Bereich, von den einen wird er als „Rockstar der Filmmusik“ beschrieben, für die anderen gilt er seit mehr als 20 Jahren als einer der innovativsten Symphoniker der Traumfabrik. Zimmer führt mit Remote Control Productions ein großes Musikunternehmen, aus dem schon viele andere Komponisten selbst zu Stars wurden. Bei « Hollywood in Vienna » präsentieren wir „Highlights“ der Produktion „The World of Hans Zimmer“, wo wir ( Beat4Feet) als Music Supervisor agierten, Produzenten: Semmel Concerts und RCI Global – künstlerische Produktion Sandra Tomek.

Sie persönlich leben die Hälfte des Jahres in den USA, haben Sie dadurch einen anderen Blickwinkel auf die Musikbranche bzw. mehr Kontakt?
GELLNER: Als wir mit Beat4Feet begannen, war es immer unser Traum, in den USA Erfolg zu haben bzw. dort zu arbeiten, das hat sich aber im Zuge der technischen Entwicklungen insofern geändert, da durch die globale Vernetzung der physische Wohnsitz nicht mehr so relevant ist. Wir arbeiten viel mit amerikanischen Künstlern zusammen, und es ist oft umgekeht, dass jeder gerne nach Wien, die Stadt der Musik, kommt, um hier zu produzieren. Was mir zB. in den US-Städten gefällt ist der Livecharakter der Musikbranche, da kann man in eine x-beliebige Bar gehen und es werden dort fast immer ausgezeichnete Musiker auftreten. Ich bin auch ein genauer Beobachter der Musicalszene und da gilt das Gesetz des Broadways: man muss dort auftreten, um zu einer gewissen Relevanz zu kommen. Mag sein, dass oft Stücke dort wirtschaftlich ein Minusgeschäft sind, aber sie brauchen den Stempel Broadway, um danach auf Tournee gehen zu können und auf internationalen Märkten Geld zu verdienen. Das ist wie mit CDs heutzutage, die sind auch oft mehr ein Marketingtool für Bands und nicht so wie früher eine für sich stehende Verdienst Möglichkeit. Und es wird in den Highschools viel mehr Wert auf Musik gelegt, fast jede Schule hat ihren eigenen Chor und Orchester, witzigerweise bekamen wir sogar Anfragen, ob unser Song „Ching Ching Blig Bling“ aus dem Musical „Rockville“ für Chorwettbewerbe verwendet werden darf. Popkultur nimmt im normalen Bildungslauf einen anderen Stellenwert ein als bei uns.

Was sind Ihre weiteren Pläne?
GELLNER: Wir arbeiten gerade an einem schrägen Horromusical, die Verbindung von Magic Show und Musical finde ich vielversprechend, wir würden gerne auch mehr für Filmprojekte arbeiten, da wir uns da eine Expertise erarbeitet haben und wir das Zusammenspiel von mehreren künstlerischen Richtungen extrem interessant und herausfordernd finden. Und nachdem wir schon so lange in der Musikbranche tätig sind, begegnen wir dem Berufsleben mit einer gewissen Entspanntheit: Irgendetwas ergibt sich immer!

„Hollywood in Vienna“ steht heuer unter dem Motto „The world of Hans Zimmer“: Dieses Jahr wird der 10. „Max Steiner Film Music Achievement Award“ an den erfolgreichsten Hollywood-Komponisten unserer Zeit überreicht, der wie kein anderer die letzten Dekaden der Filmmusik geprägt hat: Hans Zimmer.  Auf dem Programm stehen u. a. Konzertsuiten aus „Inception“, „Gladiator“, „Fluch der Karibik“, „King Arthur“, „Kung Fu Panda“ u.v.m., die Hans Zimmer persönlich für den Konzertsaal zusammengestellt hat.
„Hollywood in Vienna“ findet am Donnerstag, den 18. Oktober (Vorpremiere) und am Freitag, den 19. Oktober (Galakonzert) im Wiener Konzerthaus statt, Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr. ORF III sendet den Mitschnitt am Sonntag, den 18. November um 21.15 Uhr.