In den Augen der meisten Amerikaner

Ob Amerika oder Österreich – der Alltagsrassismus ist überall vorhanden und die, die dieses Buch  lesen sollten, um ein wenig ihren Horizont zu erweitern, werden es nicht tun, dafür haben alle anderen ihren großen Spaß an dem Debüt.
Jonathan Escoffery, Kind jamaikanischer Eltern, die noch vor seiner Geburt nach Miami emigrierten, weiß, was es heißt, Außenseiter zu sein und man kann vermuten, dass vieles in seinem Buch auf wahre Begebenheiten zurückzuführen ist. Seine Hauptfigur Trelawny ist entweder zu hell, zu dunkel, spricht kein Spanisch, ist in den Augen der meisten Amerikaner doch ein Schwarzer und sogar in der Familie ein Außenseiter.
Seine Eltern, Topper und Sanya, sowie sein Bruder Delano sind vor der Gewalt auf Jamaica hierher geflohen. Die Vereinigten Staaten sind für sie nie wirklich ein Zuhause geworden. Sie alle kämpfen darum, irgendwie einen Fuß auf den Boden zu bekommen – gegen Ausgrenzung und Armut, gegen Heimatlosigkeit und Rassismus. Und insgeheim weiß Trelawny, wenn überhaupt, hat nur er die Chance auf ein besseres Leben. Auf ein Leben in einer Gesellschaft, die es ihm und seiner Familie unendlich schwer macht.

Wenn ich gegenüber Nicht-Jamaikanern das Wort Jamaika erwähne, denkt niemand an CIA-Agenten, Strohpuppen-Premierminister oder historische Kontinuitäten. Stattdessen assoziieren die Leute wild herum, als hätte ich sie mit einer Rap-Chiffre konfrontiert: Bob Marley, irie, ganja, arme Leute, Sandalen, ‚ey Mann! Im günstigsten Fall glauben sie, die Geschichte Jamaikas hätte in dem Moment ihren Anfang genommen, als sie ihren Pauschalurlaub buchten.

Escoffery zeigt den ganz normalen Alltagsrassismus ebenso präzise auf wie den strukturellen, überrascht mit den abwechselnden Erzählweisen von Vater, Bruder, Cousin oder eben Trelawny und bringt einem trotz aller Tragik immer wieder zum Schmunzeln. Ein herzerfrischendes Debüt!
Jonathan Escoffery: Falls ich dich überlebe (Piper) Euro 22,-