Jedermann-Darsteller Philipp Hochmair diskutierte über Kreativität und KI
(Foto: Innovation Salzburg/Benedikt Schemmer)
Beim traditionsreichen Event der Medien- und Kreativbranche kamen Ende Juli 220 Personen zusammen. Im ehrwürdigen Schloss Leopoldskron wurde in den hochkarätig besetzten Panels des Hauptprogramms über die Themen KI, Kreativität, Anreizförderungen und Algorithmen im Streaming TV diskutiert.
Heuer gab es beim Media Summit erstmals ein Vorprogramm mit Infohour und Workshop, das über aktuelle Entwicklungen der Branche informierte. Lesen Sie hier weiter für den Nachbericht des Vorprogramms.
Kann KI kreativ sein? Über Unkalkulierbarkeit und das Schöne an Fehlern
Welche Auswirkungen hat die Technologie im Allgemeinen und KI im Speziellen auf das künstlerische Schaffen? Diese zentrale Frage stellte Moderator Ralf Hillebrand (SN) seinem Panel. Teilnehmer:innen waren Schauspielerin und Drehbuchautorin Konstanze Breitebner, Filmkomponist Harold Faltermeyer, Jedermann-Darsteller und Musiker Philipp Hochmair sowie Sky Austria Chef Michael Radelsberger.
Zu Beginn wurde die Frage diskutiert, wie sich KI und High-Tech auf die jeweiligen Tätigkeitsbereiche der Teilnehmer:innen auswirken. Konstanze Breitebner bemerkte: „Die KI kann in Sekundenschnelle glatte Drehbücher und Geschichten auf deinen Computer zaubern, aber das hat nichts mit Kreativität zu tun. Es basiert lediglich auf dem, was die KI bisher gelernt hat.“ Dennoch sieht sie auch einen positiven Aspekt: „Die KI fordert mich dazu heraus, kreativer und unkonventioneller zu schreiben.“ Philipp Hochmair hob die Bedeutung von Fehlern im Theater hervor: „Das Faszinierende am Theater sind die Fehler, nicht die Perfektion. Obwohl mein Regisseur am Domplatz sehr perfektionistisch ist, konnte er mich nicht völlig zähmen“, scherzte er. Auf die Frage, ob er ein KI-generiertes Drehbuch spielen würde, antwortete er: „Auf jeden Fall! Es ist spannend, weil Menschen es spielen werden. Sobald Menschen involviert sind, passiert etwas Unkalkulierbares.“
Filmkomponist Harold Faltermeyer zeigte sich kritischer: „KI ist eine Ansammlung von Plagiaten und hat mit ‚Intelligenz‘ nichts zu tun. Ich erschrecke manchmal beim Fernsehen, wenn ich Fragmente meiner Musik höre, die knapp an einem Plagiat vorbeischrammen, und ich kann nichts dagegen tun.“
Michael Radelsberger betonte, dass KI das Menschliche nicht ersetzen kann, jedoch bei bestimmten Aufgaben, wie der Erstellung von Untertiteln, hilfreich sein kann und so Medien zugänglicher macht. Dies wird im kommenden European Accessibility Act immer wichtiger. Zum Thema Zugänglichkeit fügte Hochmair hinzu, dass die Nachsynchronisierung mit KI bald mit einem Klick möglich sei, besonders seit einige Hollywood-Schauspieler:innen die Rechte an ihren Stimmen verkauft haben. „Blockbuster können so in Windeseile in vielen Sprachen verfügbar gemacht werden. Synchronsprecher:innen wird es deswegen in ein paar Monaten nicht mehr geben.“ In den USA gibt es gewerkschaftlichen Widerstand gegen diese Entwicklung. Auf die Frage, ob es in Österreich ebenfalls Widerstand gibt, antwortete Hochmair: „Das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Wir müssen uns mit der neuen Zeit anfreunden.“ Konstanze Breitebner sieht das dramatischer: „Hier hängt eine ganze Branche dran, nicht nur Sprecher:innen, sondern auch Studios, Drehbuchautor:innen und viele mehr sind davon betroffen. Deshalb haben sich die Sprecher:innen in Europa schnell organisiert und es gibt mittlerweile auch eine weltweite Organisation. In Amerika ist der Zug abgefahren, da können wir nichts mehr tun.“
Abschließend waren sich aber alle einig: Kreativität und das Verständnis für menschliche Konflikte und Fehler bleiben der KI verwehrt. Gerade diese Aspekte sind es, die Serien und Filme, die wir so lieben, mitreißend machen.
Anreizmodelle sorgen für internationale Produktionen
Das zweite Panel des Nachmittags befasste sich mit den Anreizförderungen in Österreich. Zuvor hielten Landeshauptmann-Stellvertreter Stefan Schnöll und Bundesminister Martin Kocher Begrüßungsreden. Verena Altenberger, Schauspielerin und Co-Präsidentin der Österreichischen Filmakademie, sprach gemeinsam mit Hannes M. Schalle, Mit-Initiator des Media Summits und Vorsitzender von Film & Musik Salzburg, über die Möglichkeit, den Europäischen Filmpreis („Europäische Oscars“) nach Salzburg zu holen. Dieses Anliegen richtete sich insbesondere an die anwesenden Politiker und Entscheidungsträger:innen.
Im Panel diskutierten Sylvia Vana vom BMAW und Vorsitzende von FISAplus, Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann von Film und Musik Austria, und Wolfgang Struber, Geschäftsführer der RTR, unter der Moderation von Hannes M. Schalle.
Die Förderungen in der Film- und Medienbranche wurden positiv aufgenommen und zeigen spürbare Effekte. Sylvia Vana hob hervor: „Ein Fördereuro bewirkt drei Euro Produktionsausgaben. Das ist beachtlich.“ Das neue Fördermodell FISAplus existiert seit 2023, und seither wurden 113 Projekte damit abgewickelt, was zu über 2.000 Drehtagen in Österreich führte. Vana betonte, dass FISAplus Österreich international gut positioniere und auch große TV-Anstalten sowie Streamingdienste auf die hohe Qualität der österreichischen Produktionen aufmerksam geworden seien.
Wolfgang Struber von der RTR erwähnte den Fernsehfonds Austria, der heuer sein 20-jähriges Bestehen feiert und in dieser Zeit 121 Millionen Euro in die österreichische Produktionslandschaft investierte. Alexander Dumreicher-Ivanceanu sprach über die Fortschritte der österreichischen Filmbranche, wie den erhöhten Frauenanteil, den Gender Gap Bonus und die führende Rolle in der grünen Transformation der Branche. Dank der Anreizmodelle ist Österreich nun auch für internationale Produktionen attraktiv.
Bezüglich des neuen Fördermodells in Deutschland äußerte sich Vana gelassen und betonte, dass viele Co-Produktionen mit Deutschland einen guten Wettbewerb und ein starkes deutsches Fördermodell erfordern. Struber hob die vielfältige Produzentenlandschaft in Österreich hervor, die sich derzeit in einer Nachwuchs- oder Übergabephase befindet, wodurch viel Potenzial entsteht.
Die Anreizmodelle haben in der Branche neue Arbeitsplätze geschaffen, und eine Studie dazu wird bald veröffentlicht. Alexander Dumreicher-Ivanceanu betonte die Bedeutung dieser Modelle als Beschäftigungsmotor. Außerdem wird über eine Investitionsverpflichtungsabgabe für Streamingdienste, die in Österreich produzieren, diskutiert. Diese Abgabe könnte dem RTR und dem ÖFI zugutekommen und sowohl den Fernseh- als auch den Kinobereich unterstützen. Man hoffe, dass dieses Thema bei den kommenden Wahlen eine Rolle spielt.
Streaming-TV-Produktion: Mensch oder Algorithmus als Entscheidungsträger?
Beim dritten und letzten Panel des Tages drehte sich alles um die Produktion von Streaming-TV. Die zentrale Frage lautete: Wer entscheidet eigentlich, was produziert wird – der Algorithmus oder der Mensch? Unter der Moderation von Doris Priesching (Der Standard) diskutierten Andrea Bogad-Radatz, ORF-Hauptabteilungsleiterin für Film und Serien, Jean-Young Kwak von Amalia Film und der Studio Hamburg Production Group, Frank Holderied, Head of Fiction bei Servus TV, und Oliver Schündler, Geschäftsführer von Lucky Bird.
Doris Priesching fragte, ob bei den großen Streamern inzwischen der Algorithmus statt des Bauchgefühls entscheidet. Jean-Young Kwak erklärte, dass dies von der Reife der jeweiligen Algorithmen abhänge: „Im linearen TV haben wir schon immer Quoten genutzt, um herauszufinden, welche Geschichten funktionieren. Heute entscheiden Menschen auf Basis von Daten.“ Andrea Bogad-Radatz betonte: „Es ist und bleibt ein ‚people’s business‘.“ Der ORF hat einige Co-Produktionen mit Netflix-DACH. „Bei Co-Produktionen schauen wir natürlich auf die Auswertung. Wenn nach fünf Minuten alle abschalten, ist das nicht gut. Wenn die zweite Staffel keiner mehr schaut, gibt es keine dritte Staffel.“ Frank Holderied fügte hinzu, dass es auf den Markt ankomme: „Wenn man für einen Weltmarkt wie Netflix oder Amazon produziert, muss man anders entscheiden. Bei Servus TV kennen wir unsere Zuschauer:innen und gestalten unser Programm dementsprechend.“
Alle waren sich einig, dass das österreichische Anreizmodell die Attraktivität des Landes für Streamer erhöht hat. „Österreich hat sich klar auf der Landkarte positioniert. Durch die Streamer haben sich die Sehgewohnheiten geändert, und größere Budgets sind notwendig. Wir sind auf internationale Produktionen angewiesen, um das zu stemmen“, so Kwak.
Wie schaut es mit den Welthits aus Österreich aus?
Der Media Summit fand im Schloss Leopoldskron statt, einem ikonischen Drehort des mittlerweile 60-jahre alten Films „The Sound of Music“. Welthits, denen es gelungen ist, dass alle drüber sprechen, sind Produktionen wie das US-amerikanische „Bridgerton“, Squid Game“ aus Südkorea oder das spanische „Haus des Geldes“. Gibt es heute noch große Welthits aus Österreich?
Andrea Bogad-Radatz erklärte: „Zu einem Welterfolg gehört auch Timing. Damals war der Zweite Weltkrieg und die Flucht vor den Nazis in Hollywood ein großes Thema.“ Jean-Young Kwak wies darauf hin, dass es auf die Zielgruppe ankommt. Oliver Schündler ergänzte: „Der deutsche TV- und Streamingmarkt ist einer der größten der Welt. Aber DIE eine Produktion, die weltweit läuft, ist selten.“ Kwak fügte hinzu: „Der Markt hat sich verändert. Wir haben so viel mehr Produktionen. Um herauszustechen, braucht es kreative Köpfe, und hier kann ein Algorithmus helfen.“ Frank Holderied von Servus TV betonte die Stärke von Live- und Lokalproduktionen: „Unsere Stärke ist, dass wir live und lokal produzieren können, was Streamer nicht können. Wir machen Produktionen, bei denen die Region selbst Protagonist ist.“
Der Mensch ist nicht wegzudenken
Der 19. Media Summit verdeutlichte die vielschichtigen Auswirkungen von KI auf die Kreativbranche, wobei sowohl Chancen als auch Herausforderungen diskutiert wurden. Während KI die Effizienz steigern kann, bleibt echte Kreativität fest in menschlicher Hand. Die Diskussionen zu Anreizmodellen und internationalen Produktionen zeigten, dass Österreich gut positioniert ist, um von globalen Entwicklungen zu profitieren. Trotz technologischer Fortschritte bleibt das menschliche Element unerlässlich für künstlerischen Erfolg.
Der 19. Salzburg Media Summit war eine gemeinsame Veranstaltung von: Film & Musik Salzburg, Innovation Salzburg, Fachverband der Film- und Musikwirtschaft | Film and Music Austria, Industriellenvereinigung Salzburg, Fernsehfonds Austria, ABA – Invest, Work, Film, Österreichisches Filminstitut und FISAplus.
Originalbeitrag veröffentlicht auf https://www.innovation-salzburg.at/media-summit-2024-hauptprogramm/