Politik als Taschenspielertrick

Vorweg, man muss sich schon sehr für deutsche Innenpolitik interessieren, um alle Personen richtig zu identifizieren. In diesem Schlüsselroman aus dem deutschen Bundestag 2011 geht es vordergründig um die Aufklärung der NSU-Morde 2011, als man ein ausgebranntes Wohnmobil der mutmaßlichen Mörder, die einer rechten Terrorzelle angehörten, fand. Plötzlich zur moralischen Instanz erhoben, brilliert der Abgeordnete Andi Nair als Vorsitzender des eingesetzten Untersuchungsausschusses. Protokolliert wird das Geschehen von seinem Büroleiter Wegman Frost, der die Verkommenheit der Verhältnisse, das Versagen der Behörden kaum fassen kann und in einen Strudel von Selbstzweifeln gerissen wird. Als Pflegekind mit ungewisser Herkunft hatte ihn sein Einsatz gegen Fremdenhass in die Politik geführt. Damit ist er nicht allein: Sein Freund aus Jugendtagen, Flo Janssen – einst als namenloses Baby aus dem brennenden Saigon ausgeflogen –, steht jetzt am Rednerpult des Reichstags und verkündet neoliberale Ideen. Der ist nicht irgendjemand, er ist der Vizekanzler.
Wegman, die Hauptperson ist als Pressesprecher auf halbem Weg stecken geblieben, er ist derjenige, der am meisten erinnert, träumt und reflektiert, aber dass er schlussendlich dem Vatersein den Vorzug vor der Politik gibt, ist eher ein utopisches Bild.
Ulf Erdmann Ziegler: Eine andere Epoche (Suhrkamp), Euro 24,-