„Schluss! Aus! Haut ab! Geht weg!

„Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, war auch der Tag, an dem der Milchmann starb.“

Das zu recht mit dem renommierten Booker-Preis ausgezeichnete Buch der „Milchmann“ der nordirischen Schriftstellerin Anna Burns ist trotz des Endes des dort herrschenden Kriegs aktuell wie immer. Obwohl deutlich wird, dass die Geschichte in Belfast in den 1970-er Jahren spielt, ist sie aufgrund der jugendlichen Sprache der Erzählerin – genannt die Mittelschwester – und der fehlenden namentlichen, zeitlichen wie örtlichen Zuschreibungen universal. Und leider, Belästigungen gab es schon lange vor #MeToo.
Eine junge Frau, die in ihrer Umgebung auffällt, weil sie immer im Gehen liest, zieht ungewollt die Aufmerksamkeit eines mächtigen, weil Paramilitär ,Mannes auf sich. In einer Umgebung, wo es zwar keine Gesetze, aber unbedingte Regeln gibt, die von allen einzuhalten sind, ist dieser Umstand sofort suspekt. Der 18-Jährige, die sich zwar in einer Beziehung mit ihrem „Vielleicht-Freund“ befindet, wird von allen Nachbarn sofort ein Verhältnis mit dem 42-Jährigen unterstellt.Plötzlich gilt sie als „interessant“ – etwas, das sie immer vermeiden wollte. Hier ist es gefährlich, interessant zu sein. Doch was kann sie noch tun, nun, da das Gerücht einmal in der Welt ist?
„Mit all ihren breit gestreuten Aufstachelungsversuchen und ihren untergeschobenen, tastenden Hintersinnigkeiten bewirkten sie bei mir nichts, und ich fühlte mich im Recht, ihnen diese Unfruchtbarkeiten zu präsentieren, weil ich da bereits wusste. dass manche Leute die Wahrheit einfach nicht verdient hatten.“
Milchmann ist die Geschichte einer jungen Frau, die nach einem Weg für sich sucht – in einer Gesellschaft, die sich ihre eigenen dunklen Wahrheiten erfindet und in der jeglicher Fehltritt enorme Konsequenzen nach sich zieht. Burns gibt dieser jungen, unerschrockenen Frau eine Stimme, die einem manchmal zum Schmunzeln bringt – isnbesondere wenn sie über ihre „Kleinen Schwestern“ erzählt, meist aber aufregt. Wie kann es gelingen, dass Gewalt und Dummheit das Leben so vieler Menschen bestimmen und letztendlich zerstören.
Ein großes Lob auch an die Übersetzerin Anna-Nina Kroll, die genau den richtigen jugendlichen Ton trifft, ohne in eine bestimmte Epoche zu verfallen.
Anna Burns: Milchmann (Tropen)