Sich in Gefahr begeben, no matter what

 

Vor einem Jahr anlässlich des Filmstars des nunmehrigen Siegerfilms „Tank You vor Bombing“ führten wir mit der unerschrockenen Regisseurin Barbara Eder ( Cop Stories, Insider America etc.) ein Interview. Hier nochmals die wichtigsten Passagen anlässlich des Preises für den Besten Film der Osterreichischen Filmakademie 2017.

Wie kamen Sie auf die Idee, wie haben Sie sich vorbereitet?
BARBARA EDER: Die Idee zum Film entstand in der Zeit, als der Arabische Frühling in allen Medien Thema war. Ich wollte damals einen Dokumentarfilm machen über die schwierige Situation für Berichterstatter während des Arabischen Frühlings. Insofern begann ich, darüber zu recherchieren, reiste in verschiedenste Krisengebiete… nach Afghanistan, in den Libanon, an die syrische Grenze…. begleitete Korrespondenten, schaute hinter die Kulissen. Ich hatte wahnsinniges Glück, wirklich große News-Broadcast-Sender zu begleiten, ohne dafür irgend welche Genehmigungen einzuholen. Freundschaften entstanden, Vertrauen entstand. Ab einem gewissen Punkt wurde mir aber klar, dass ich keinen Dokumentarfilm drehen konnte, ohne die Protagonisten zu schädigen, indem ich ihren Job gefährde, geschweige denn dass es fast unmöglich war, einen Korrespondenten dazu zu bringen, gewisse Wahrheiten vor laufender Kamera auszusprechen. Also beschloss ich, aus all den vielen Eindrücken, Erlebnissen, berührenden Geschichten eine Spielfilm zu machen.

Wo wurde gedreht?
EDER: Wir drehten in Afghanistan, Jordanien und Wien. Der Dreh in Afghanistan war mit einem gewissen Risiko behaftet. Immer wieder gehen in Kabul Bomben hoch, es ist nun mal eine Krisenregion, die Taliban nach wie vor präsent. Natürlich haben wir uns darauf vorbereitet, indem wir Monate vorm Dreh Kontakte zu wichtigen Personen und Journalisten in Kabul knüpften. Es geht darum, Gefahren im Vorfeld besser einschätzen zu können. Dazu brauchst du Leute, die sowohl mit dem Geheimdienst, als auch Regierungsvertretern und wichtigen Personen unterschiedlichster Organisationen vernetzt sind. Untergebracht waren wir in einem Military Camp, das schon fast an ein Hochsicherheitsgefängnis erinnerte. Man gelang nur über mehrere Schleusen inklusive Sprengstoffdurchsuchung, Gepäckdurchsuchung etc. in dieses Camp. Für die Dreharbeiten galt: Je weniger man auffällt, desto geringer das Risiko eines Anschlags. Insofern waren wir als sehr kleines, fast dokumentarisches Team unterwegs. Gerade mal ein Kameramann mit Assistent, ein Tonmann und ich. Maske und Kostüm erledigten die Schauspieler selber. Gekleidet waren wir wie ortsansässige, als Frau natürlich mit Kopftuch.

Gab es während der Drehs richtig gefährliche Situationen?
EDER: Klar, wir hatten Sicherheitsleute dabei sowie einen afghanischen Journalisten. Dennoch verlief der erste Drehtag sehr unglücklich. Wir wollten eigentlich nur ein paar Aufnahmen von Afghanistan machen, ohne Schauspieler, alles sehr klein gehalten. Zu diesem Zweck sind wir auf einen der vielen Hügel Kabuls gefahren. Es war Sabbat und ganz viele Afghanen verbrachten den Tag am Hügel mit Drachensteigen, Picknick etc. .. Wir verbrachten lange Zeit auf dem Hügel, zu lange. Irgendwann wurden die Menschen am Hügel auf uns, insbesonders die Kamera, aufmerksam. Die vielen kleinen Kinder begannen vor der Kamera zu blödeln, eigentlich eine ganz friedliche, lustige Stimmung, die aber in kürzester Zeit umschlug. Die Kinder wollten Aufmerksamkeit erregen, indem sie uns mit kleinen Kieselsteinen bewarfen. Aus einem kindlichen Spiel entstand nur in wenigen Minuten eine Dynamik, die dazu führte, dass uns Menschen mit großen Steinbrocken bewarfen. Niemand wusste warum, wahrscheinlich nicht mal die Afghanen. Es war einer Art Massenhysterie, jedenfalls Massen-Dynamik gleich. Wir mussten letztlich in unser Auto fliehen, eine Scheibe wurde eingeschlagen, aber wir kamen unverletzt davon.
Mit dieser Erfahrung im Magen, kehrten wir zurück in unser Camp. Wir sprachen über unser Verhalten, beschlossen die nächsten Tage große Massenansammlungen zu meiden und in Zukunft auch nicht zu lange an einem Ort zu bleiben. ….und als wir das alles so durch-diskutierten, gab es ein Riesen-Wumms, wir alle spürten die Druckwelle….. eine Bombe war im Neben-Camp hochgegangen. Bewaffnete Soldaten rannten quer durchs Camp, kletterten auf die Dächer und sicherten unser Camp.
…Wie soll ich sagen… Nach diesem ersten Drehtag wurde mehr als deutlich, wo wir uns befanden. Die nächsten Drehtage sollten weniger aufreibend verlaufen. Dennoch brachen wir die Dreharbeiten früher ab und wichen nach Jordanien aus.

Zum Procedere des Drehs: wie spontan/flexibel konnten oder mussten Sie sein?
EDER: Wer in Afghanistan dreht, muss flexibel sein. Jeden Tag steht man vor der Entscheidung, ob man dreht, wo man dreht, was man drehen kann. Je nach Sicherheitslage, den letzten Meldungen…
Aber auch in Jordanien, einem modernen arabischen Land, musste man flexibel sein, wenn man nicht grad die Hollywood-Produktion mit einem riesigen Budget war. Vor allem in kleinen Dörfern kann es passieren, dass der Besitzer eines Hauses am jeweiligen Drehtag seine Meinung ändert und doch nicht will, dass man bei ihm dreht. Vertrag hin oder her. Oder der Ziegenhirte hat beschlossen, doch nicht mitzuspielen oder oder oder…. Wir hatten zwar eine tolle Serviceproduktion und auch auf mein Team war Verlass, aber in entlegenen Gegenden musst du mit Überraschungen dieser Art rechnen.

Spannung wird nicht zuletzt aufgrund des Titels aufgebaut. Treffen Sie damit den zynischen Ton, der oft mit Kriegsfilmen assoziiert wird?
EDER: Man darf den Titel natürlich nicht aus dem Kontext nehmen. Dennoch beinhaltet er für mich eine gewisse Wahrheit. Meine Protagonisten leben von der großen Sensation, von der exklusiven Geschichte, von der Bombe. Nur wenn es richtig kracht, macht ihre Arbeit Sinn. Gleichzeitig ist es natürlich diese Bombe, an der die Berichterstatter zerbrechen. Diese Ambivalenz soll der Titel widerspiegeln.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als mir ein Korrespondent beim gemütlichen Bier am Abend erklärt hat, dass er sich endlich wieder einen g’scheiten Krieg wünscht. Seiner Ansicht nach war der Arabische Frühling mühsam und so schlecht durch organisiert.
Am nächsten Tag schrieb ich den Titel auf.

Thank You for Bombing

Die Wege von drei internationalen TV-Korrespondenten kreuzen sich in einem Krieg, der nicht beginnen will und doch schon längst im Leben der Figuren stattfindet. Letztendlich lösen sie selbst den ersehnten Krieg aus.

Drehbuch: Barbara Eder, Tommy Pridnig,
Regie: Barbara Eder
Kamera: Christian Haake
Schnitt: Monika Willi, Claudia Linzer
Ton: Atanas Tcholakov
Kostümbild: Christine Ludwig
Szenenbild: Maria Gruber
Musik: Wolfgang Mitterer
Besetzung: Erwin Steinhauer (Ewald), Manon Kahle (Lana), Susanne Stach (Martina), Raphael van Bargen (Cal)
Produktion: Lotus Film (Tommy Pridnig, Peter Wirthensohn)
Förderung:  Filminstitut, Filmfonds Wien, Filmstandort Austria
Fernsehbeteiligung ORF (Film/Fernseh-Abkommen)
Drehort: Wien, Jordanien, Kabul
Weltpremiere: 40. International Festival Toronto 2015, Ausgezeichnet mit dem „Goldenen Auge – Bester Film Fokus: DACH beim 11. Zürich Film festival