Wenn man auf den Falschen hereinfällt

 

OK, eine Mehrheit in den USA glaubt noch immer nicht daran, dass sie einem Mann vertraut, der schon im ersten Wahlkampf die aberwitzigsten Sachen behauptete (die es nicht wert sind, wiederholt zu werden) und für seine Wähler trotzdem zur Hoffnungsfigur wurde. Lernen die Menschen wirklich nichts aus der Geschichte? Haben Vernunft und Aufklärung noch immer nicht vollständig um sich gegriffen? Müssen WissenschaftlerInnen sich noch immer verteidigen wie vor 150 Jahren? Und ist es nicht klar, wen die Autorin so beschreibt:“ Er legitimiert persönliche Gier als bedeutendste Religion unseres Landes:“
Mit solchen Fragen beschäftigt sich der neue Roman der Autorin Barbara Kingsolver, die mit ihrem „Demon Copperhead“ zur Bestsellerautorin avancierte.
Alles scheint um Willa Knox zusammenzubrechen: Als freie Journalistin steht sie ohne Aufträge da. Ihr Mann Iano verliert seine Professur, Sohn Zeke ist gerade Vater und Witwer geworden, Tochter Tig, eine aus der „letzten Generation“ ist nach einem Jahr Abwesenheit wieder zurückgekehrt und .der schwerkranke Schwiegervater schwärmt vom „Megafon“, dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Und dazu verfällt das geerbte Haus, in dem 150 Jahre zuvor der Lehrer Thatcher Greenwood mit Familie wohnte.
Es geht in dem Roman nämlich um zwei Erzählstränge, die zwar zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden und doch so viele Parallelen aufweisen.
150 Jahre zuvor gründete Charles K. Landis ein anfänglich egalitäres Gemeinwesen, das jedoch scheiterte und dem Gründungsvater in den Kopf stieg. Thatcher Greenwood hat es in dieser Umgebung nicht leicht: die Mitbewohner sind alle Landis-Fans, in der Schule wird er gemobbt und mit seiner Frau und deren Anhang hat er es auch nicht einfach. Und dazu ist das Haus eine Ruine. Zum Glück findet er Abwechslung und eine Gleichgesinnte in seiner Nachbarin, der Naturforscherin Mary Treat, die in lebhaftem Austausch mit Charles Darwin steht. Für die Anwohner ein „Gottseibeiuns“, da sie die Theorie von der Evolution als Sünde sehen. Ähnlich wie auch heutzutage Fanatiker noch immer an Verschwörungen glauben.

Was verbindet diese Menschen über die Jahrhunderte hinweg? Ein viktorianisches Haus, das ihnen über dem Kopf einzustürzen droht – und eine Zeit, in der damals wie heute kein Stein auf dem anderen bleibt. Kluge Gedanken, eine stringente Analyse der amerikanischen Gesellschaft, sehr gut lesbar, als einziges Manko könnte man aufzählen, dass die Figuren etwas blass bleiben. Ein Schmöker, der die Augen öffnet.
Barbara Kingsolver: Die Unbehausten (dtv) Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren. Euro 26,-