Kindeswohl im Fokus – Die österreichische Filmbranche präsentierte ihr wegweisendes Kindeswohlkonzept. Damit rücken das Wohlbefinden und der Schutz von Kindern und Jugendlichen bei Filmproduktionen mit besonderem Bewusstsein und voller Verantwortung in den Mittelpunkt.
„Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Kinder.“ Dieses Zitat von Dante Alighieri unterstreicht eindringlich die Bedeutung des Schutzes unserer Kinder“, betont Christine Hartenthaler, Schauspielcoach und Projektleiterin zur Entwicklung des Kindeswohlkonzeptes der Österreichischen Filmbranche. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe, bestehend aus Filmschaffenden, Produzent*innen, Förderinstitutionen und Interessenvertretungen hat mit fachlicher Begleitung von Martina Wolf, der Geschäftsführerin im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren, ein umfassendes Kindeswohlkonzept – kurz „KiwoK“ genannt – für die heimische Filmwirtschaft entwickelt.
Beauftragt wurde die Ausarbeitung des Konzepts vom Fachverband der Film- und Musikwirtschaft in der WKÖ. „Kinderrollen sind integraler Bestandteil vieler filmischer Erzählungen und im österreichischen Film nicht wegzudenken. Die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen unterliegt strengen Auflagen seitens der Kinder- und Jugendhilfe sowie behördlichen Kontrollen. Das erarbeitete Kindeswohlkonzept ergänzt diese gesetzlichen Vorschriften für Dreharbeiten und soll prinzipiell ein starkes Bewusstsein für das Kindeswohl fördern. Es trägt auch dazu bei, die Produktionsfirmen sowie die Mitarbeitenden vor womöglich haltlosen Vorwürfen und potenziellen Rufschädigungen zu schützen“, erklärt Claudia Wohlgenannt, Produzentin und Vorsitzende im Berufsgruppenausschuss für Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion.
Die Entwicklung des KiwoKs war ein anspruchsvoller Prozess, der die Berücksichtigung einer Vielzahl von variablen Faktoren und multiprofessioneller Arbeit einforderte. Alle filmrelevanten Gewerke, Schauspieler*innen, Kinderdarsteller*innen und auch Eltern wurden aktiv einbezogen“, skizziert Hartenthaler die Arbeit.
Nach einer umfassenden Risikoanalyse wurden präventive Maßnahmen im Personalwesen erarbeitet sowie ein Verhaltenskodex entwickelt. Dieser Kodex ist Teil der Dienstpflichten und erfordert die Zustimmung aller Mitwirkenden durch ihre Unterschrift. Das KiwoK regelt zudem das Beschwerdewesen sowie Standards zur internen und externen Kommunikation und legt das Vorgehen bei Verdacht auf Grenzüberschreitungen und Gewalt fest.
„Aufgabe der Erwachsenen ist, die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen im Blick zu haben, für ein gewaltfreies Miteinander zu sorgen und sensibel auf etwaige Grenzverletzungen zu reagieren, um so die Dreharbeiten zu einem sicheren Ort für Kinder zu machen„, erklärt Martina Wolf von den österreichischen Kinderschutzzentren. Aus diesem Grund wurden zum Schutz der Kinder und Jugendlichen zwei Pflicht-Positionen innerhalb einer Filmproduktion definiert: Die*der Kinderschutzverantwortliche innerhalb der Produktionsfirma sowie die*der Kindeswohlbeauftragte, die*der den sogenannten Mitwirkplan erstellt. Dieser Plan ist speziell auf das jeweilige Filmprojekt zugeschnitten und umfasst beispielsweise auch die Einschätzung zur Hinzuziehung zusätzlicher Fachkräfte wie Kinder-Schauspielcoaches, sonderpädagogischer oder psychologischer Unterstützung sowie zusätzlicher Kinderbetreuung.
Das Kindeswohlkonzept der österreichischen Filmbranche hilft, jegliche Formen von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, einschließlich körperlicher, psychischer, sexualisierter, vernachlässigender und medialer Gewaltformen zu vermeiden. Es ist ein wegweisendes, einheitliches Regelwerk für alle österreichischen Filmproduktionen, indem das Wohl und der Schutz der Minderjährigen stets an erster Stelle steht. Alle beteiligten Branchen-Stakeholder unterstützen dieses Kindeswohlkonzept.
An der Entwicklung des Kindeswohlkonzepts waren und sind Vertreter*innen folgender Institutionen beteiligt:
Die Produzent*innen Verbände (AAFP, Film Austria, Die Produzent*innen), Film Fatal (Interessensgemeinschaft österreichischer Produzentinnen und Producerinnen), Branchenvertreter*innen, Expert*innen, die Sozialpartner (Fachverband Film- und Musikwirtschaft, Younion_dieDaseinsGewerkschaft) sowie wesentliche (Förder-) Institutionen, der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden, der ORF und die Akademie des Österreichischen Films.
Das Kindeswohlkonzept wird ab 1. Januar 2025 in Kraft treten. Das gesamte Kindeswohlkonzept findet man auf folgenden Websites:
www.filmschaffende.at
https://filmandmusicaustria.at
www.oesterreichische-filmakademie.at
Große Umwälzungen und neue Akzente in der Filmbranche sind im Jahresbericht 2023 von „#we_do! Anlauf- und Beratungsstelle für Filmschaffende“ erkennbar
we_do! wurde 2019 vom Dachverband der österreichischen Filmschaffenden als erste Anlauf- und Beratungsstelle gegen sexuelle Übergriffe, Machtmissbrauch, Diskriminierung, und Ausbeutung ins Leben gerufen und ist für alle Film-und Fernsehschaffende in Österreich da.
#we_do! bietet persönliche und anonyme Beratung mit branchenexternen Berater:innen in Krisensituationen, darüber hinaus Präventionsmaßnahmen wie Workshops und Informationsveranstaltungen, sowie Schulungen für Filmproduktionsfirmen und Sensibilisierungsveranstaltungen für das gesamte Film- und Produktionsteam und Weiterbildungen, die mithelfen missbräuchliches Verhalten zu unterbinden und das Bewusstsein für ein faires Arbeitsumfeld zu schärfen.
In den fünf Jahren seit ihrem Bestehen kann #we_do! merkbare Veränderungen in der Filmbranche feststellen. Im Jahresbericht 2023, der von den #we_do! Berater:innen Meike Laugass und Daniel Sanin vorgestellt wurde, wird schon an den Zahlen deutlich, dass die Prävention mittlerweile genauso große Bedeutung erhalten hat wie die Beratung von Betroffenen.
Medial verhandelte Anlassfälle bewirken einen messbaren Anstieg an Kontaktaufnahmen bei #we_do! sowie eine erhöhte Bekanntheit der Anlaufstelle. Dieser Effekt hat sich 2023 bestätigt, die dahinterliegenden Motive wurden nun analysiert und in die Präventionskonzepte von #we_do! eingearbeitet. Daraus ergaben sich auch neue Angebote, die bei der Berichtspräsentation vorgestellt wurden.
„Es zeigt sich, dass ein Bewusstseinswandel und die daraus resultierenden Strukturveränderungen Zeit und unermüdlichen Einsatz brauchen“, so Zora Bachmann, Geschäftsführerin des Dachverbandes der österreichischen Filmschaffenden.
Seit 2019 sind die Beratungszahlen kontinuierlich gestiegen, immer mehr Betroffene haben sich vorwiegend aufgrund von Erfahrungen mit sexueller Belästigung und arbeitsrechtlichen Verstößen an die Beratungsstelle gewandt. „Die Bandbreite der Inhalte und Anliegen ändert sich in jedem Jahr. Einige Betroffene suchen bei #we_do! nach einem sicheren Ort, um über das Erlebte überhaupt vertraulich sprechen zu können und um aus dem Gefühl der Ohnmacht rauszufinden; andere hingegen fragen gezielt nach Lösungsmöglichkeiten, weiteren Schritten und rechtlichen Perspektiven“, so Meike Laugasse, Beraterin bei #we_do!.
Besonders erfreulich ist die Bilanz, dass die Anlauf- und Beratungsstelle für Produktionsfirmen und Personen in Machtpositionen zu einer wichtigen Adresse geworden ist. 2021 war erstmals der Schwerpunkt mit Workshops für diese Zielgruppen gesetzt worden, die enorme Nachfrage und viele anlassbezogene Anrufe von diesen Personen sind ein eindeutiges Indiz für den stattfindenden Kulturwandel in der Filmbranche.
Es lässt sich zweifelsfrei feststellen, dass es in der Filmbranche einen hart erarbeiteten Wandel gibt und ein gesteigertes Bewusstsein für Präventions- und Sensibilisierungsmaßnahmen“, so Nina Holzbauer vom Vorsitzkollektiv des Dachverbandes der österreichischen Filmschaffenden.
Die Erkenntnisse aus den Beratungen sollen strukturelle Analysen ermöglichen, die in die Arbeit mit Verantwortungsträger:innen einfließen. Jedes Jahr formuliert #we_do aus den gewonnenen Daten und Erfahrungen auch Empfehlungen für die Filmbranche und vergleicht den Status mit den Empfehlungen vom letzten Jahr.
Der Jahresbericht https://www.we-do.info/wp-content/uploads/2024/05/we_do_Jahresbericht_2023.pdf