Wolf: Trete fix an!

Die Wahl zum ORF-Generaldirektor rückt näher, diverse Kandidaten scharen Gleichgesinnte um sich, eine, die selbstbewusst zu ihrem Tun steht, ist die Landesdirektorin von ORF Wien, Brigitte Wolf. Warum sie sich wieder um diese Funktion bewirbt, wie Radio Wien heimische Musik fördert und welcher Philosophie sie anhängt, im ausführlichem Sommergespräch.
 

 
Sie gehören – etwas respektlos formuliert- zu den ORF-Urgesteinen. War das Öffentlich-Rechtliche immer Ihr Metier oder hätten Sie sich auch eine Karriere in einem privaten Medium vorstellen können ( oder gar etwas ganz anderes?)
 
BRIGITTE WOLF: Das Öffentlich-Rechtliche ist kein Metier, sondern eine gesellschaftsrechtliche Besonderheit in der Eigentümerstruktur einer Firma. Das Metier bleibt das Medienmachen. Die Tätigkeiten unterscheiden sich im Alltag kaum – MedienmacherInnen, die bei uns gearbeitet oder begonnen haben, fügen sich nahtlos ein bei kommerziellen Anbietern und umgekehrt. Ich beschäftige zu meiner großen Zufriedenheit junge KollegInnen, die bei den Privaten gelernt haben. Ich habe mit dem Medienmachen zwar bei der Zeitung angefangen, bin aber beim ORF groß geworden, ich habe hier das Medienmachen gelernt. Für mich ist das Öffentlich-Rechtliche eine Philosophie, ich gehöre hierher.

Sie kennen die Situation als der ORF noch eine Monopolstellung hatte bis zur jetzigen des dualen Rundfunks. Hat die Konkurrenz dem Unternehmen inhaltlich gut getan, was hat sich zum Besseren resp. zum Schlechteren gewandelt?

WOLF:Jede Art von Wettbewerb stimuliert alle Marktteilnehmer, punkt. Weder will ich mir ausmalen, in welchem Zustand das Radio und das Fernsehen in unseren Breiten wäre, wenn die privaten Anbieter kein öffentlich-rechtliches Korrektiv hätten – noch will ich mir ausmalen, welche Blutleere uns Öffentlich-Rechtliche ohne die Stimulanz der Kommerziellen befallen hätte.
 
Ein weiterer großer Einschritt war selbstverständlich die Digitalisierung der Gesellschaft, welchen Einfluss haben soziale Medien wie Facebook & Co für/auf einen öffentlich-rechtlichen Sender?

WOLF:Einfluss ist aus meiner Sicht ein zu kleiner Begriff. Es geht um die denkbar größte Wirkung, die die sozialen Netze und die Konzerne, die hinter ihnen stehen, ausüben. Einerseits müssen Fernsehen und Radio vollständig ins Internet switchen, andererseits wollen facebook und Google dieses Internet, das größte je erdachte öffentlich-rechtliche Medium, übernehmen und privatisieren. In fünf Jahren wissen wir, wie diese epochale Auseinandersetzung ausgegangen ist.

Das Internet wird immer mehr zur einer Bewertungs-, Posting- und Sharinginstanz, die ehemalige Gatekeeperfunktion von Medien scheint obsolet. Wie kann man in Zeiten des unbegrenzten Medienangebots HörerInnen an seinen Sender binden?

WOLF:Das Internet ist heute doch nur halbwegs angenehm konsumierbar, wenn man Selbstschutz mit einer Armada von Werbeblockern, Antitracking- und Virenscannern betreibt. Man sagt, dass 50% der bezahlten Werbeleistung im Internt nie von einem Menschen gesehen, sondern von betrügerischen Klickfarmen abgefischt werden. Die legitimen Medien müssen dem entgegentreten und der große trusted partner der demokratischen Öffentlichkeit und der Realwirtschaft werden.

Ist die Zukunft der Medien nur mehr digital?

WOLF: Kennen Sie ein Medium, dass nicht digital hergestellt wird ? Diese Frage hat sich bereits vor Jahren erledigt. Ihre Frage zielt daher wohl auf die letzten Reste von nicht-digitalen Vertriebs-und Erscheinungsformen, bedrucktes Papier, Vinyl-Renaissance, UKW-Radio? Da unsere Augen und Ohren in absehbarer Zukunft Analog-Medien bleiben, muss ich die Frage verneinen.

Wie begegnen Sie den Anforderungen nach einer Quote für österreichische Musikproduktionen? Ist die Zahl relevant, welche Anstrengungen unternimmt RW in dieser Richtung? Ist der Hype um heimische Popmusik auch für das Musikangebot von RW relevant?

WOLF:Das Wichtige an der Quote war die Diskussion rundherum. Österreichische Musik ist mittlerweile ein ganz bewusster Bestandteil von Radio Wien – wir spielen nicht nur Titel von vielen verschiedenen österreichischen MusikerInnen, Ö-Musik ist bei uns auch ständiges redaktionelles Thema. Wir stellen MusikerInnen vor, wir haben sie als Gäste im Studio, wir bewerben ihre Konzerte und wir veranstalten auch selbst Konzerte. Ich glaube sagen zu dürfen: Wir stimulieren auch die Szene. Zum Beispiel mit unserer Radio Wien-Sommerhit-Suche, die wir gemeinsam mit Sony Music, mica austria und als musikalischen Leiter Thomas Rabitsch heuer zum ersten Mal gemacht haben. Unser Publikum hat mit «Kein Sommer für einen allein» von Johannes Sumpich und Kathi Kallauch nicht nur einen tollen Titel zum «Radio Wien-Sommerhit » gewählt, es sind unter den mehr als 800 Einsendungen auch noch weitere wunderbare Nummern, von denen wir künftig viele in unsere Rotation nehmen werden. Die Aktion war ein voller Erfolg für alle Beteiligten.

Abschließend eine naheliegende Zukunftsfrage: werden Sie sich wieder als Landesdirektorin bewerben, welche Herausforderungen sehen Sie in dieser Funktion auf sich zukommen?

WOLF:Die Herausforderungen haben wir schon ausführlich besprochen. Und ich liebe zeitlebens Herausforderungen.
Die kommenden fünf Jahre werden spielentscheidend sein für alle Medien. Unsere bisherigen Erfahrungen und Routinen werden uns nicht mehr viel helfen. Wir werden uns neu erfinden müssen – technologisch, besonders aber ethisch. Wir alle hätten uns bis vor zehn Jahren einen Begriff wie Lügenpresse gar nicht vorstellen können, geschweige die Breite, in der er inzwischen ganz offenkundig geteilt wird. So blöd das klingen mag, aber in einem solchen Moment stiehlt man sich nicht vom Acker. Sondern gibt den Jungen Deckung.