Angst essen Seele auf

Die in Paris lebende Drehbuchautorin Sedef Ecer greift in ihrem Romandebüt auf autobiografische Elemente zurück und kommt durch das Schreiben wieder ihrer alten Heimat Türkei näher, die sie als junge Frau verließ, ihr aber gedanklich immer nahe steht. Nicht zuletzt aufgrund des Zerwürfnis mit der Mutter, die eine gefeierte Schauspielerin war.
Als Esra Zaman mich bat, für ihre Beerdigung eine Trauerrede zu schreiben, jagte mir diese Idee panische Angst ein. Denn Esra Zaman ist meine Mutter. Ich muss schon im Prolog das unvermeidliche Unheil ankündigen. Deshalb will ich mit den drei Militärputschen beginnen, die unser Leben bestimmt haben.

Hülya hat längst alle Brücken zu ihrer Mutter abgebrochen und lebt seit vielen Jahren in Paris. Widerstrebend beginnt sie, sich mit ihrer Kindheit als Tochter einer Filmdiva im Istanbul der 70er zu beschäftigen. Dabei kommt sie ihrer Mutter näher – und der Antwort auf das Verschwinden ihres Vaters.
Der Aufbau des Buches ist ihrer Theaterherkunft geschuldet, in quasi drei Akten werden die Ereignisse aufgrund der Militärputsche 1960, 1971 und 1980 aufgerollt. Jeder einzelne dieser politischen Umstürze rückte das einstmals moderne, aufgeschlossene Land, in dem Frauen 1934 das Wahlrecht erhielten und in Folge mit 4,5 Prozent der Abgeordneten die höchste Zahl weiblicher Abgeordneter in Europa zur damaligen Zeit hatte, wieder ein Stück zurück ins 19. Jahrhundert. Und wenn man heute außerhalb der Metropole Istanbul unterwegs ist, ist nicht mehr viel von einstiger Fortschrittlichkeit und Freizügigkeit zu spüren. Umso schöner, dass Sedef Ecer mit dieser Geschichte einen wichtigen Blick auf die „wilden Weiber von Istanbul“ wirft und dem einstmals so blühendem türkischen Kino ihre Reverenz erweist.
Auch wenn der Faßbender-Film falsch zitiert ist, gilt das Motto der meinungsstarken Mutter immer noch: „Nie Angst haben, nie die Seele aufessen lassen.“
Sedef Ecer: All die Frauen, die du warst (Piper), Euro 24,-