I start with the shoes

Wer die Bücher des englischen Autors Julian Barnes kennt, weiß, dass er sehr detailgetreu schildern kann. Beim Vorliegenden, über seine ehemalige Dozentin und Mentorin Elizabeth Finch fängt er gleich einmal mit den Schuhen an. Nach wenigen Sätzen hat man das Bild einer sehr disziplinierten, zeitlosen Geisteswissenschaftlerin vor sich, die ihre StudentInnen und insbesondere den Erzähler Neil mit ihrer Klugheit, Esprit und trockenem Humor in den Bann zieht.
Dieser Neil, gescheitert als Schauspieler, Ehemann und Vater wird in Folge nach dem Tod der Professorin zu ihrem Biograf bzw. zum Vollender ihrer Forschungen. Und hier beginnt der höchst interessante Mittelteil dieser Geschichte:
Es geht um den römischen Kaiser Julian Apostata, der von 360 bis 363 römischer Kaiser war und in seiner Regierungszeit versuchte, den Eroberungszug des Christentums zurückzudrängen. Er wollte der alten römischen, besonders aber der griechischen Religion und den östlichen Mysterienkulten, im Folgenden vereinfachend als „Heidentum“ bezeichnet, durch staatliche Förderung wieder eine Vormachtstellung verschaffen.
Fragen wie, was wäre passiert, wie hätte sich die westliche Welt weiterentwickelt, gäbe es keine monotheistischen Religionen, darf man Hitler auf seine Leseliste setzen, wie objektiv kann Geschichtsschreibung überhaupt sein, umkreist Barnes mit überaus großer Umsicht und Bildung. Nie wird er banal, nie parteiergreifend, immer wieder werden seine Argumente durch darauffolgende aufgehoben, man „hantelt“ sich quasi mit dem klugen Schriftsteller durch einen Teil der Geschichtsschreibung.
Im dritten Teil wird mit dem Bruder der Verstorbenen über ihre Herkunft, über die Bedeutung von Familie und über die Liebe zu verstorbenen Menschen philosophiert. Der Schlüssel zur Gegenwart liegt nicht selten in der Vergangenheit, das zeigt dieser Roman.
Bequem ist es natürlich sich diese knapp 7-stündige Geschichte von Frank Arnold vorlesen zu lassen, der bereits die Romane Der Lärm der Zeit, Die einzige Geschichte und Der Mann im roten Rock eindrucksvoll als Hörbücher umgesetzt hat.
Julian Barnes: Elizabeth Finch ( Kiwi) als Hörbuch gelesen von Frank Arnold (Argon Verlag) Euro 25,-