Berlin ist niemals schuld

Gut kommt die deutsche Hauptstadt in diesem Debüt der gebürtigen Rumänin Ursula Kirchenmayer nicht davon, wenn sie über die administrative Unfähigkeit und dem Elend der Underdogs schreibt. Man möchte ja nicht unsozial sein, aber psychisch kranke Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung wollen wahrscheinlich auch die wenigsten.

Kurz vor der Geburt ihres Sohnes finden Laura und Nils die lang ersehnte Altbauwohnung im bevorzugten Viertel in Berlin, das Glück scheint perfekt. Wäre da nicht die psychisch kranke Nachbarin, die anfänglich nur herumsteht und schreit und mit der Zeit immer radikaler wird. Was soll das junge Paar, er Texter, sie Künstlerin, das bis dahin ein „normales“ Bobo-Leben führte, machen? Wie das eigene Kind schützen? Die eigenen Ängste bekämpfen? Die Situation ändern?
Tatsache ist, dass es mit Polizei oder dem sozialpsychologischem Dienst nicht weit her ist, verstärkt wird der Konflikt dadurch, dass Penny, die renitente Nachbarin offenbar aufgrund des Verlusts ihres Kindes  aus der Bahn geworfen wurde. In einer Stadt, die als das europäische New York galt und heutzutage viel von seinem Glanz verloren hat: „Diese Stadt ist krank. Allein die Verrückten! An der Kasse bei Netto, auf Parkbänken, auf Spielplätzen, ohne Zähne, mit abgefrorenen Fingern rennen die durch die Stadt, schimpfen, lachen, heulen und hauen sich dabei sinnlos auf den Kopf, werfen Bierflaschen oder holen sich einen runter, in aller Öffentlichkeit.“
Immer mehr leidet man mit dieser offenbar unausweichlichen Situation mit, die die Autorin äußerst geschickt aufbaut. Obwohl die Einleitung schon auf das Drama hinweist, will man nicht daran glauben.
Äußerst spannende Geschichte, die leider jedem betreffen kann.
Ursula Kirchenmayer: Der Boden unter unseren Füssen (dtv) Euro 23,-