Bilanz & Preise der Viennale 2018

Zogen positive Bilanz über die V18: Eva Rotter & Eva Sangiorgi

Die Zahl der BesucherInnen ist mit 93.200 im Vergleich zu 2017 (91.700 BesucherInnen) gestiegen.„Ich bin überwältigt, was die Energie und Wärme betrifft, die ich bei der heurigen Viennale empfunden habe, die für mich etwas ganz Besonderes ist, weil es sich hier um mein Debüt als Direktorin des Festivals handelt“, so Eva Sangiorgi. „Diese außergewöhnliche Atmosphäre, über die alle unsere Gäste gesprochen haben, schafft dauerhafte Verbindungen zur Stadt und zum Festival – und ist darüber hinaus wahrhaft ansteckend.“

Die Viennale wurde in diesem Jahr zum ersten Mal von Eva Sangiorgi verantwortet und wartete neben einem akzentuierten Programm mit einer Reihe schöner Neuerungen auf. So konnten Kinofans, FilmemacherInnen und Gäste aus Branche undPresse bei den „Aperitivi“ im Festivalzentrum in entspannter Atmosphäre miteinander ins Gespräch kommen und Studierende verbilligte Daytime Tickets erstehen. Das Filmmuseum zeigte zum ersten Mal nicht nur Filme der Retrospektive, sondern auch Features aus dem regulären Programm des Festivals und war sehr gut ausgelastet. Hervorragend angenommen wurde auch eine Sondervorstellung für SchülerInnen und Lehrlinge, die das Gartenbaukino bis auf den letzten Platz füllte.

Viele der 315 Vorstellungen waren ausverkauft oder hervorragend besucht, die Premieren im Gartenbaukino lockten in diesem Jahr besonders viele Filmfreunde in das Haus am Parkring. Als überwältigender Erfolg entpuppte sich das dem Filmemacher Roberto Minervini gewidmete Programm, der seine Filme mit großer Leidenschaft persönlich vorstellte. Während die Filme des argentinischen Regisseurs Jorge Acha nicht auf die erhoffte Resonanz beim Publikum stießen, fanden die thematischzusammengestellten Kurzfilmprogramme äußerst großen Publikumszuspruch.
Zu den Highlights der diesjährigen Viennale zählte auch das Programm im Festivalzentrum in der Kunsthalle Wien imMuseumsquartier, das sich mit seinem Mix aus relaxten Aperitivi, interessanten Film-Talks und Buchpräsentationen, Partiesund DJ-Lines sowie exquisiten Konzerten als außergewöhnlich vielseitig und spannend erwies.
Die gemeinsam mit dem Filmmuseum veranstaltete Retrospektive The B-Film – Hollywoods Low-Budget-Kino 1935 –1959 konnte viel –auch internationale –Aufmerksamkeit auf sich ziehen und kommt, hochgerechnet auf die Gesamtlänge desProgramms, auf etwa 4.500 BesucherInnen.

PREISTRÄGER DER VIENNALE 2018

Wiener Filmpreis
Jury: Bettina Kogler, Mira Lu Kovacs, Corinna Milborn, Doris Uhlich, Renate Wurm

Der Wiener Filmpreis, eine von der Stadt Wien gestiftete und im Rahmen der Viennale vergebene Auszeichnung, gilt einem aktuellen österreichischen Langfilm, der im vergangenen Jahr zur Aufführung gelangte. Die Dotierung dieses Preises besteht aus einem Geldbetrag, der von Seiten der Kulturabteilung der Stadt zur Verfügung gestellt wird, sowie großzügigen Sachwerten, gestiftet von den Sponsoren Blautöne und viennaFX. Beim Wiener Filmpreis werden zwei Preise vergeben: der Preis für den besten österreichischen Film und der Spezialpreis der Jury. Durch die Großzügigkeit und das Engagement aller Beteiligten ist der „Wiener Filmpreis“ weiterhin Ermutigung und Anerkennung für die Arbeit österreichischer Filmemacher und Filmemacherinnen.

Bester österreichischer Film: JOY von Sudabeh Mortezai, A 2018
Auszug aus der Jurybegründung:
Die Wiener Regisseurin Sudabeh Mortezai erzählt direkt und ungeschönt die Geschichte der Nigerianerin Joy, die in Wien als Prostituierte im System von Frauenhandel und sexueller Ausbeutung ums Überleben kämpft. Dabei entlarvt die Regisseurin die Mechanismen und Brutalität dieses Systems und erzeugt mit den großartigen Laiendarstellerinnen eine Authentizität und Intensität, die unter die Haut geht. Die Jury hat besonders beeindruckt, wie Sudabeh Mortezai diese Realität in einen Film verwandelt hat. (…) Die schier unglaubliche Geschichte, die beeindruckende Schauspielführung, die improvisierten Dialoge und nicht zuletzt die Kameraführung, die einen unmittelbar teilhaben lässt, haben die Jury einstimmig überzeugt. Kinostart: 18.01.19

Spezialpreis der Jury: Murer – Anatomie eines Prozesses von Christian Frosch, A/LUX 2018
Auszug aus der Jurybegründung:
Der Spielfilm schildert das Gerichtsverfahren gegen den österreichischen Funktionär der NSDAP Franz Murer, auch bekannt als der „Schlächter von Vilnius“ aufgrund der Vernichtung von fast 80.000 Juden. Das Verfahren wurde in den 1960er Jahren in Graz abgehalten und endete mit einem Freispruch. Der Film portraitiert sehr eindrücklich den unaufgearbeiteten, österreichischen Nationalsozialismus der Nachkriegszeit, der – man kann es nicht anders sagen – bis heute fortwirkt. Die Jury empfindet den Film deshalb als wichtiges gegenwärtiges Dokument, das aufklärend wirkt. Der Gerichtsfilm stellt die Unverfrorenheit, Kaltblütigkeit und Uneinsichtigkeit der Täter und Täterinnen dem Schmerz und der neuerlichen Demütigung der Opfer sehr genau und berührend gegenüber.

Standard—Viennale-Publikumspreis: What you gonna do when the world’s on fire von Roberto Minervini, I/USA/F 2018

Jury: Katharina Ganser, Maria Macic, Patrick Mittler, Marietta Trendl, Hans-Peter Tscheru
Der Preis der Standard-Leserjury geht an einen Film, der noch keinen Verleih in Österreich hat und dem ein Kinostart in Österreich besonders empfohlen wird. Findet der Film einen Verleih, ist der Kinostart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Tageszeitung „Der Standard“ verbunden.
Auszug aus der Jurybegründung:
Wir haben uns für einen Film entschieden, der sich in wuchtiger schwarz-weiß Bildästhetik über die Leinwand erstreckt, und von der Präzision fotografisch-gezeichneter Einstellungen geprägt ist. Mit dieser Ästhetik lässt der Regisseur eine generationsübergreifende Dokumentation über Gerechtigkeit, Würde und den Kampf gegen Rassismus entstehen, die einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Seine zurückhaltende und respektvolle Arbeitsweise schafft eine intime Authentizität und Lebendigkeit, die berührt und fasziniert. Der Film zeigt und belehrt dabei nicht. Er ist ein wichtiger und wertvoller Beitrag zum öffentlichen Dis kurs über die strukturelle Diskriminierung von AfroamerikanerInnen in den USA.

Fipresci Preis (Preis der internationalen Filmkritik):  Ne travaille pas (1968-2018) von César Vassyié, F 2018

Jury:Andrey Arnold (Die Presse), Heidi Strobel (Film-Dienst), Yeşim Tabak (Arka Pencere)
Auszug aus der Jurybegründung:
Sensation, Sexualität, Verwirrung. Performance, Beharrlichkeit, Widerstand … Eskalation und Ablenkung. Loslösung … oder Engagement? Dies sind nur einige Begriffe, um die pulsierende Spannung im Gewinnerfilm zu beschreiben. Sie lassen uns über das kreative Potenzial von 1968 und dessen heutiges Echo nachdenken. Dieser Film ist eine hypnotische Collage, eine dynamische Komposition, ein gewaltiger Trommelwirbel, der uns in einen Moment der Stille führt …

Erste Bank MehrWERT-Filmpreis: ex aequo Chaos von Sara Fattahi, A/Syrien/Libanon/Katar 2018 und Styx von Wolfgang Fischer D/A 2018

Jury: Silvia Bohrn, Boris Manner, Franz Schwartz
Erstmals wurde 2011 der von der Erste Bank initierte und gestiftete MehrWERT-Filmpreis vergeben, der einen Aufenthalt in New York City einschließlich einer Werkpräsentation im Anthology Film Archive ermöglicht. Die Realisierung des ErsteBank MehrWERT-Filmpreises findet in Zusammenarbeit mit der Viennale und dem Deutschen Haus at NYU statt.

Auszug aus der Jurybegründung für Chaos:
Drei Frauen die an unterschiedlichen Orten gestrandet sind, versuchen ihre tödlichen Verluste und Traumata, die sie während des Krieges in Syrien erleiden mussten, zu verarbeiten. In atmosphärischen teils traumhaften Bildern folgt der Film dem Rhythmus den die vergeblichen Versuche der Protagonistinnen erzeugen, um das Unsagbare, den Tod eines geliebten Menschen, in Worte zu fassen. Chaos ist eine Meditation über das Schweigen und die Stille. Eine Frage nach dem Ort des weiblichen Sprechens. Ein Film der die Möglichkeit und Unmöglichkeit von Erinnerung thematisiert. Ein Film der seine eigenen Grenzen der Darstellung reflektiert und diese transzendiert indem er den Atem eines Gedichtes annimmt.

Auszug aus der Jurybegründung für Styx:
Ihre Segelreise von Gibraltar ausgehend, wird für die einhand segelnde Ärztin Rike zu einer existentiellen Herausforderung. Ein Filmgeschehen wie eine Versuchsanordnung zur Erforschung der menschlichen Empathiefähigkeit, und doch von der Realität schmerzhaft übertroffen. Zwischen Seerecht und behördlicher Anordnung trifft eine Frau unter Einsatz ihrer Existenz eine finale Entscheidung. Mit seiner genauen Recherche und einer konsequenten Umsetzung lässt der Film auch dem Zuschauer keinen Ausweg und zwingt ihn, sich dem Problem zu stellen und eine Entscheidung zu treffen. (Kinostart 23.11.)

Foto: Viennale/Roberto Minerva

 

 

 

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