Die teuerste Süßigkeit der Welt

Man möchte gar nicht wissen, wieviel Zeit der irische Autor Colum McCann für diesen aktuellen Roman gebraucht hat. Auf knapp 600 Seiten bekommt man nicht nur eine überaus spannende Geschichte zu lesen, man wird mit soviel Wissen zusätzlich belohnt, dass man immer wieder inne halten muss, um dies alles zu verdauen, nachzudenken, abzuschweifen und wieder in diese Gedankenwelt zurück zu kehren.

Die Geschichte dreht sich um die beiden Männer Rami Elhanan und Bassam Aramin. Rami braucht fünfzehn Minuten für die Fahrt auf die West Bank. Bassam braucht für dieselbe Strecke anderthalb Stunden. Ramis Nummernschild ist gelb, Bassams grün.
Beide Männer sind Väter von Töchtern. Beide Töchter waren Zeichen erfüllter Liebe, bevor sie starben. Ramis Tochter wurde 1997 im Alter von dreizehn Jahren von einem palästinensischen Selbstmordbomber vor einem Jerusalemer Buchladen getötet. Bassams Tochter starb 2007 zehnjährig mit einer Zuckerkette in der Tasche vor ihrer Schule durch die Kugel eines israelischen Grenzpolizisten.
Ramis und Bassams Leben ist vollkommen symmetrisch. Ramis und Bassams Leben ist vollkommen asymmetrisch. Rami und Bassam sind Freunde.
Dem gebürtigen Iren McCann gelingt es anhand dieser beiden Figuren den Palästinakonflikt in seiner ganzen Historie und Komplexität aufzuzeichnen und die Absurditäten aufzuzeigen. Immer wieder lässt er seine Protagonisten verzweifelt sagen: „Sprecht miteinander“, 2 Väter, die ein Kind verloren haben, ein Schicksal, das kein Elternteil auf der Welt teilen möchte. Und trotzdem kämpfen Rami und Bassam für den Frieden.
Möge dieses Buch in unseren grausamen Zeiten viele LeserInnen finden, denn so furchtbar die Geschehnisse auch sind, dem Autor gelingt es, Hoffnung zu wecken.
Colum McCann: Apeirogon (Rowohlt)