„Diese großkotzigen Unternehmensarschlöcher und ihr Beutegreiferfestisch“

Wenn es viel zu vererben gibt, sind Streitereien vorprogrammiert, scheint eine Banalität zu sein, die sich aber doch immer wieder bestätigt. Die englische Schriftstellerin Anna Hope verpackt in ihrem großen Familienroman aber so viel mehr: wunderbare Naturschilderungen, Zurechtrücken geschichtlicher Tatsachen, originelle Charaktere und immer wieder Gesellschaftskritik, die jedoch witzigerweise gerade die materiell Reichsten äußern und Veränderung wollen.

Als der Egomane Philip Brooke stirbt, kommen seine Kinder Frannie, Milo und Isa für fünf Tage auf dem gewaltigen Familienanwesen in Sussex zusammen. Haupterbin Frannie hat hier vor Jahren die Führung übernommen. Sie will die Ländereien renaturieren und für ihre siebenjährige Tochter eine Zukunft schaffen. Und bevor noch die anderen auftauchen wird sie damit konfrontiert, dass das gesamte Anwesen einen Investor brauchen würde, da es zu viele Schulden gibt. Frannie aber wehrt sich geden die ihrer Meinung nach „großkotzigen Unternehmensarschlöcher und ihr Beutegreiferfestisch“.
Auch  der unstete Bruder Milo hat  Pläne – und den Segen des verstorbenen Vaters dafür, aber leider nichts Schriftliches. Zuguterletzt gibt es die jüngste Schwester, die gegen innere Dämone kämpft und eine Überraschung für die Familie hat: , sie hat die Tochter von Philips langjähriger Geliebten zur Beerdigung eingeladen. Und die kennt das wahre Erbe der Brookes aus den Zeiten des Empire.

Die englische Oberschicht wird in diesem Roman nicht so dargestellt wie in „Downton Abbey“, wobei auch hier das prächtige Anwesen ausreichend gehuldigt wird. Die vielen Räume, das Cottage, der riesige Park mit angrenzenden Wäldern, die Liebe aller zur Botanik, gerne würde man zur Teatime eingeladen werden. Oder besser nicht? Der Reichtum ist nicht durch reinen Fleiß entstanden, sondern auf Kosten eines ganz dunklen Kapitels britischer Kolonialisierung. „Wenn man nur weit genug zurückgeht, hat jede Familie schreckliche Dinge getan“.

„Wo wir uns treffen“ ist ein meisterlich komponierter Familienroman über die Beziehungen, die uns für immer prägen, über ererbten Besitz und historische Verantwortung – feinsinnig, klug und packend bis zum Schluss.
Anne Hope: Wo wir uns treffen (Hanser) Euro 25,-