„Du bist ein dummer Mensch“

Seinen Bernhard hat der österreichische Autor Robert Seethaler intus. Wenn er Gustav Mahler über die Oper und das Wiener Bildungsbürgertum zu lamentieren beginnen lässt, dann erinnert das ganz stark an den Meister der Bösartigkeiten.
Der Maestro sitzt 50-jährige, krank an Deck auf dem Weg von New York nach Europa und grübelt über sein Leben, insbesondere seine Ehe mit Alma nach. Viele schöne Erinnerungen werden abgelöst von tragischen, wie dem Tod der älteren Tochter Maria oder seine zerbröckelnde Ehe. Er, der „schmale Jude, der wie der Teufel dirigiert“ gilt als der größte Musiker der Welt und doch drehen sich seine Gedanken hauptsächlich um seinen schmerzenden Körper und den ihm widerfahrenen Enttäuschungen. Locker gelingt es Seethaler in seinem Roman Begegnungen Mahlers mit Sigmund Freud oder August Rodin herbeizuführen, die aber bei dem Musiker nicht auf großen Widerhall stoßen. Länger wirken die Vorwürfe Almas nach, die ihm, dem Musikgenie vorwirft, ein dummer, ahnungsloser Mensch zu sein.
„Der letzte Satz“ ist das Porträt eines Künstlers als müde gewordener Arbeiter, dem die Vergangenheit in Form glasklarer Momente der Schönheit und des Bedauerns entgegentritt. In der Stimme des Vorlesers Matthias Brandt wird einem Mahler richtig sympathisch.
Matthias Brandt liest Der letzte Satz von Robert Seethaler (Roofmusic/Hanser)