Endlich neue Chancen für den Bildungsfilm?

Manfred Studnitzka, Obmann der Berufsgruppe Werbung-, Wirtschafts-, Bildungsfilm über die Notwendigkeiten für den digitalen Unterricht. Digitale Schule braucht dringend digitales Laufbild. Ein Finanzierungsmodell für Entwicklung und Herstellung muss her. Jetzt.

Sie beschäftigen sich seit Längerem mit der Digitalisierung des heimischen Bildungsmedienangebotes. Bringt die Digitalisierung neue Möglichkeiten für Bildungsfilmproduktionen?
MANFRED STUDNITZKA:  Ja. Unbedingt. Und wir können sehen, dass sich durchaus einiges bewegt. Die neuen Möglichkeiten treffen nicht so sehr den klassischen, linearen Bildungsfilm, sondern neue, explizit für eine digitale Lehr- und Lernumgebung entwickelte Formate; also digitalen Laufbildcontent. Mittelfristig wird der Bedarf danach – und für eine solche Prognose braucht man kein Prophet zu sein – steigen, wenn nicht gar explodieren.

Und wo stehen wir derzeit?
STUDNITZKA: Dass wir unsere jungen Menschen nicht mit analogen Bildungsmedien auf die digitale Welt vorbereiten können, ist mittlerweile, denke ich, weithin Konsens. Digitale Medien sind ohnehin längst im Unterricht angekommen. Allerdings und das sehen nicht nur wir kritisch, mangels ausreichend verfügbarem approbierten digitalen Contents, überwiegend informell. Geeignete Strukturen sind noch nicht angepasst und Finanzierungsmodelle fehlen. Dennoch tut sich langsam etwas. Digitalverlage beginnen zu entstehen, innovative Buchverlage engagieren sich zunehmend auch digital, Medienanbieter entwickeln ihre Inhalte für die digitales Vermittlung. Und allen ist natürlich bewusst, dass digitales Laufbild ein integraler Bestandteil ihres Angebotes sein muss. Was aber fehlt, sind verlässliche Rahmenbedingungen, sowohl ökonomische als auch didaktische.

Wie kann es zu solchen Rahmenbedingungen kommen?
STUDNITZKA: Mit der Schulbuchaktion, mitsamt ihren Approbationsmechanismen besteht eine adaptierbare Struktur und die Bildungsinnovationsstiftung, allerdings auf ihr ursprünglich geplantes Volumen aufdotiert, gibt ein geeignetes Werkzeug für die Entwicklung didaktischer Standards ab. Bedeutet, dass wir über das nötige Instrumentarium verfügen. Und wenn sich die wesentlichen Player, Bildungsressort, Digitalverlage, Schulbuch- und Audiovisionswirtschaft an einen gemeinsamen Tisch setzten, wäre es doch gelacht, wenn wir nicht zu einem sinnvollen Modell kommen. Zu einem Modell, das unsere jungen Menschen mit attraktiven digitalen Bildungsmedien auf die digitale Welt, in der sie leben und arbeiten werden, vorbereitet.

Ein zweites Thema in diesem Kontext wäre das Bildungsmedienabkommen zwischen dem Bildungsressort und dem ORF. Wie stehen da die Dinge?
STUDNITZKA: Das Bildungsmedienabkommen hat lange Jahre, Jahrzehnte, sehr gut funktioniert. Der öffentlich-rechtliche Sender ist seinem festgeschriebenen Bildungsauftrag vorbildlich nachgekommen, hat in dessen Rahmen mit finanziellen Beiträgen aus dem Bildungsressort hochwertiges Programm hergestellt und gleichzeitig sind daraus didaktisch anspruchsvolle Spin-offs für den Schulunterricht entstanden. Höchst profitabel für beide Seiten. Doch wie immer, wenn etwas lange Zeit nicht angepasst, nachgeschärft und an geänderte Gegebenheiten angepasst wird, kommt Sand ins Getriebe. Im vorigen Frühjahr ist das Abkommen seitens des Bildungsressorts zuerst sistiert und im späteren Verlauf gänzlich aufgekündigt worden.

Ist das nun das endgültige Aus für das Abkommen?
STUDNITZKA: Nein. Das „kann“ vielmehr eine große Chance sein, ein neugefasstes Abkommen zustande zu bringen, das den Anforderungen sowohl des heutigen digitalen Bildungswesens, als auch jenen des Senders besser entspricht als das aufgekündigte.

Wenn in einem gekündigten Abkommen eine Chance liegt, wie Sie sagen, wie kann diese konkret genützt werden?

STUDNITZKA: Vonseiten des Ressorts hat man unseren Hinweis, dass das ursprüngliche Abkommen die Filmwirtschaft miteingebunden hatte, gehört und uns eingeladen, unsere Überlegungen miteinzubringen. Haben wir auch gerne getan. Sie können sich aber vorstellen, dass Ibiza und die Folgen, den Fortgang nicht sonderlich beschleunigt haben. Jetzt gibt es eine neue Regierung, neue Kompetenzverteilungen und so sind wir zuversichtlich, dass es konstruktiv weitergeht. Unsere Expertise steht bereit.
Und im Übrigen vertrauen wir darauf, dass man im Bildungsressort sehr genau um die Bedürfnisse der digitalen Schule und den damit verbundenen Bedarf nach digitalem Laufbildcontent Bescheid weiß und auf der anderen Seite ist es dem ORF sicherlich ein ehrliches Bemühen, seinem Bildungsauftrag nachzukommen. Wenn er dazu seine legendäre Innovationskraft einsetzt und wenn beide Seiten auf die Expertise der Branche zurückgreifen, dann sollte doch wieder ein brauchbares Abkommen für die nächsten Jahre herauskommen.

Manfred Studnitzka, Produzent,
Obmann der Berufsgruppe Werbung-, Wirtschafts-, Bildungsfilm im Fachverband der Film- und Musikwirtschaft. Vizepräsident des aafp – Association of Austrian Filmproducers.
Er stellt mit seinen fg+ studios, Bildungs-, Marktkommunikations- und Dokumentarfilm her.