„Es geschieht jo nix ohne Grund“

Ein sogenanntes Bubenmädchen ist die Erzählerin, die vom Dorfleben in Kärnten Anfang der 1990-er Jahre erzählt. Man erinnere sich, das war die Zeit als Jörg Haider österreichweit zum Polit-Phänomen aufstieg und darauffolgende – wie es später im Buch heißt – „ durch alle Gasthäuser des Landes raunte Zufriedenheit und noch irgendetwas anderes.“

Das Setting dieses österreichischen Heimatromans ist nicht neu, aber wenn eine Autorin wie Julia Jost die vermeintliche Harmlosigkeit des Erwachsenenlebens präzise wie eine Chirurgin aufschneidet, dann kommt harte Kost hervor. Man braucht für diese Geschichte schon einen starken Magen, so brutal sind die Ereignisse und die daraus resultierenden Folgen. Gewalt, Alkohol, Pädophilie, Lieblosigkeit sind die täglichen Konstanten mit denen die junge Ich-Erzählerin konfrontiert ist, erst durch die Freundschaft und Verliebtheit in ihre bosnische Nachbarin Luca entdeckt sie, dass das Leben auch außerhalb ihrer Träume etwa zu bieten hat.
Für die Eltern ist der Sinn ihres Daseins der unbedingte Wille zum wirtschaftliche Aufstieg, für die Brüder der Wunsch des Wegziehens, das Abdriften in Musik (Another Day in Paradise“ von Phil Collins als Provokation!) letzteres ist sehr nachvollziehbar, doch die alten und neuen Nazis, die politischen Korruptionen, die Ablehnung von allem Fremden, die Unreflektiertheit gegenüber der Wirtschaft und der reinste Egoismus sind nicht nur in Kärnten zu finden.
So furchtbar dieser „Heimatroman“ auch klingen mag, wird er wiederum durch die Sprache konterkariert. Wie geschickt die Autorin den Dialekt einfließen lässt, mit wieviel trockenem Humor sie ihre Beobachtungen niederschreibt, ist zum Niederknien. Verrät ja auch schon der Titel, dass sie großen Spaß an Sprache hat.
Julia Jost: Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht (Suhrkamp) Euro 24,-