Krise ist, wenn Macht aus dem Chaos kommt

Wer hätte gedacht, dass die Zeit um 1978/79 wieder so aktuell sein könnte? Damals waren es die Bergarbeiterstreiks, die England lahmlegten, heute ist es der Brexit und die Pandemie, aber die Parallelen sind erschreckend ähnlich. Die jungen Menschen im Roman lassen sich  trotz Chaos, Thatcher und grassierendem Pessimismus in diesem „Winter des Missvergnügens“ nicht von ihren künstlerischen Plänen abbringen. Die eine spielt Theater, der andere Musik. „Sie haben uns ja nicht viel gelassen, also macht man doch besser das, was man mag, oder?“
Candice schlägt sich als Fahhradbotin in London durch, ein ganz neuer Berufszweig, der ihr ausreichend Zeit gibt, sich für die Rolle als „Richard III“ vorzubereiten. Minutiös analysiert sie das Stück und entlarvt ihrerseits die Strukturen von Macht. Einen großen Auftritt hat natürlich die damals am Beginn ihrer Karriere stehende Margaret Thatcher, deren berühmtes Zitat nicht fehlen darf: ‚If you want something said, ask a man; if you want something done, ask a woman“.
Obwohl das Buch von einem Franzosen geschrieben wurde, merkt man, wie sein Herz für Britrock schlägt. Jedem Kapitel ist ein Bandzitat vorangestellt, sodass man einen gesamten Soundtrack – von den Sex Pistols über Clash, Cure bis hin zu Pink Floyd mitgeliefert bekommt.
Thomas Reverdy: Ein englischer Winter (Berlin Verlag) € 22,-