Mit Simmeringer Witz & Dezenz

Wer in einer Stadt nicht in eigener Villa lebt, kennt die Probleme oder wie der Autor Dominik Barta meint: „Der ideale Nachbar befindet sich in einer mittleren Distanz zu uns. Er ist nah genug, um Anspruch zu ermöglichen. Aber fern genug, um einem nicht zu nahe zu treten.“

In seinem neuen Buch bleiben sich die Versammelten, schon alleine wegen der dünnen Wände, nicht lange genug fremd. Wenn man genau hört, wann der Nachbar heimkommt, ins Bad geht, den Kühlschrank öffnet, dann ergibt sich zwangsläufig eine Beziehung.
Kurt, die Hauptperson ist in eine Mansardenwohnung im 6. Wiener Bezirk eingezogen, wo er schon am ersten Abend mit den Aktivitäten seines unmittelbaren Nachbarn konfrontiert wird. Anfänglich stellt er noch Gedanken an, aber irgendwann ist es soweit und er lernt diesen, Herrn Drechsler auch persönlich kennen. Der Radius erweitert sich und auch die übrigen MitbewohnerInnen des Hauses werden in die Geschichte muteingezogen. Und dann wird auch noch sein bester Freund von der gemeinsamen Freundin verlassen und zieht ebenfalls zu ihm in die kleine Wohnung.
Barta zieht aus diesem Gefüge sehr viel Material: Homosexualität, Weltpolitik, Lebensentwürfe, wissenschaftliche Experimente, Konkurrenzdenken, Banausentum, Krankheit, Migration werden anhand der verschiedenen Personen geschickt verknüpft und je nach Situation freundlich oder sarkastisch abgehandelt. Ein berühmt gewordenes Zitat eines ehemaligen Bundeskanzlers wird so verwendet:
„„Für junge Menschen ist Eigentum die beste Maßnahme gegen Altersarmut“. Wir Simmeringer erkannten daran, was für ein Idiot hier, wieder einmal, zu ministeriellen Ehren gelangt war.“
Mit dieser Geschichte beweist Barta, dass das Attribut „Gutmensch“ weiterhin ein positives bleiben sollte, denn soviel Solidarität wie die BewohnerInnen dieses Hauses zeigen, ist leider viel zu selten anzutreffen.
Dominik Barta: Tür an Tür (Zsolnay) Euro 23,-

Lesetermine:
11.8., Innsbruck, 14.8., Wien, Summerstage, 14.9. Wien, Hartliebs Bücher