Würde an den Gymnasien noch Literatur vermittelt werden, so wäre „Malvenflug“ von Ursula Wiegele eine überaus empfehlenswerte Lektüre, bei der man gleich mehrere Themen abdecken könnte. Familie, Nationalsozialismus, Glaube, Begabungen und Italianatà.
Der erste Teil der Geschichte wird aus der Perspektive vieler Personen einer weitverzweigten Kärntner Familie beschrieben, die Mutter arbeitet in Davos als Köchin, um Schulden zu bezahlen und hat zwar Sehnsucht nach ihren Kindern, aber nicht den unbedingten Willen sie zu sehen. Die älteste Tochter geht ins Kloster, der „Lieblingssohn“ in eine Nazischule, die Zwillinge werden bei den Großeltern in Brünn/Brno untergebracht und der Vater, eher ein Hedonist, vergnügt sich auf mehreren Orten.
Während der erste Teil dieses vielstimmigen Romans den einzelnen Familienmitgliedern zwischen 1940 und 1945 folgt, wird Helga im zweiten Teil zur erzählenden Figur. Nach Kriegsende verlässt sie den Orden und wagt mit 27 ein neues Leben in Italien. Helga, die mittlerweile in Grado lebt und dort die Familienzusammenkünfte organisiert, legt, wie bei einem Puzzle, die richtigen Erinnerungsstücke zusammen und so unterschiedlich die jeweiligen Lebensläufe sind, gibt es einfach die jeder Familie immanenten Zusammengehörigkeiten.
„Malvenflug“ ist ein großes Familienpanorama, getragen von starken Frauenfiguren.
Ein besonderer Verdienst und darauf bezieht sich auch der Titel des Buches gelingt der Autorin mit der Ehrung von Irene Ransburg, die mit 16 Jahren blind und gehörlos wurde, nur durch Berührungen mit der Umwelt kommunizieren konnte und aufgrund von Verrats von den Nazis nach Theresienstadt deportiert wurde.
Ursula Wiegele: Malvenflug (Otto Müller Verlag) Euro 22,-
Nazizeit hautnah
