Palästina gibt es nicht mehr

Ist es die Liebes-, die Theater- oder die Politgeschichte, die mehr fesselt in dem umfassenden Roman „Enter Ghost“?

Nach vielen Jahren in London und einer schmerzhaft gescheiterten Beziehung reist Schauspielerin Sonia zu ihrer älteren Schwester nach Haifa. Dort lernt sie die charismatische Mariam kennen, die im Westjordanland eine palästinensische Theaterproduktion des „Hamlet“ auf die Beine zu stellen versucht. Nach anfänglichem Zögern willigt Sonia ein, die Rolle der Gertrude zu übernehmen. Doch je weiter die Proben voranschreiten, desto mehr wird Sonia von den Geistern eines Konflikts heimgesucht, der ihre entwurzelte und in alle Richtungen verstreute Familie genauso wie die gesamte Region nicht zur Ruhe kommen lässt. Als in Jerusalem ein Attentat auf israelisches Wachpersonal verübt wird, droht die Lage auch für die Theatergruppe zu eskalieren.

Es ist ein kunstvoll konstruierter Roman, der die politischen Verhältnisse auch in die Theatergruppe überträgt, zu Menschen die aufgrund ihres Schauspiel schon soundso zueinander in Konkurrenz und Abhängigkeit stehen. Warum ausgerechnet „Hamlet“ ausgewählt wurde, erschließt sich in der Geschichte schon, ob Kunst als Widerstand taugt, eher weniger. Wie wichtig aber gerade die Beschäftigung mit anderen Themen als die des unmittelbaren Alltags sind, ist bei uns im Westen oft Liebhaberei, für die dortigen Personen oft der einzige Ausweg. Auch die aus London gekommene Sonia, die anfangs kritisch beäugt wird, muss erkennen, dass auch sie bisher viel zu wenig von Palästina wusste bzw. zu spät kam, denn ihr desillusionierter Vater sagt folgerichtig: „Palästina gibt es nicht mehr. Wir haben es vor langer Zeit verloren.“

Es ist herzzerreißend, warum dieser furchtbare Konflikt im Nahen Osten noch immer andauert und bis jetzt nur Zerstörung und Gewalt brachte, Ein überaus lesenswertes Buch, gerade in diesen Zeiten.
Isabella Hammad: Enter Ghost (Luchterhand). Aus dem Englischen von Henning Ahrens. Euro 22,-