Shotgun für Schachinger

Mit diesem Schülerroman hat sich der österreichische Autor Tonio Schachinger ganz sicherlich für den Platz in erster Reihe qualifiziert, um den Usus des Wortes Shotgun unter Jugendlichen zu paraphrasieren.

Wer seine Schulzeit in einem Wiener Gymnasium verbrachte, wird so viel Wahres darin erkennen in der Geschichte um Till Kokorda, der unglücklicherweise im Theresianum landete, aber er sei getröstet, Lehrer wie seinen Dolinar gibt es leider immer noch überall. An den meisten anderen Schulen ist wahrscheinlich weniger Geld, Prominenz und Exklusivität vorhanden, eventuell mehr Freigeist und Kreativität, aber das eine Schreckgespenst ist überall da.
Als Till in die erste Klasse kommt, wird er vom ersten Tag an bemitleidet, denn er landete in der Klasse des berüchtigten Despoten Dolinar, der nur nach seinen eigenen Regeln lebt und dies alle anderen spüren lässt. Er ist Literaturliebhaber, drillt die Buben bis zum Anschlag und lebt nach sehr vergangenen Maßstäben. Für alle Kinder beginnt eine Tortur, die acht Jahre anhalten wird. Till’s Ventil ist seine Leidenschaft für Computerspiele, konkret: das Echtzeit-Strategiespiel Age of Empires 2. Ohne dass jemand aus seiner Umgebung davon wüsste, ist er mit fünfzehn eine Online-Berühmtheit, der jüngste Top-10-Spieler der Welt. Nur: Wie real ist so ein Ergebnis?
Tills großes Glück ist die Freundschaft mit den beiden jüngeren Schülerinnen Feli und Fina, die aus dem Haufen Gleichgeschalteter mit ihrer Unkonventionalität herausstechen. Mit ihnen lassen sich die schwierigen Jahre der Pubertät überstehen, es werden viele Gespritzte getrunken, viel gehadert, geliebt und  meisterhaft gelästert. Ob Politik, Kultur, Wien, Literatur, Gamescom, Adel, Deutsche, Beziehungen – kein gesellschaftlich relevantes Feld, das von Schachinger nicht mit feinem Spott überzogen wird – auch Kollegen werden nicht verschont. Das ist schon sehr sehr gute Unterhaltung, die einem immer wieder auflachen lässt.
Das Gute an diesem Entwicklungsroman ist, dass jeder für sich selbst etwas darin finden kann, ein generationsübergreifendes Buch, das zeigt, wie abgeschlossen die Welt der Jugendlichen für sich ist und Eltern den Interessen Teenagern oft sehr ratlos gegenüberstehen. Echtzeitalter ist Beispiel und Beweis für die zeitlose Kraft einer guten Geschichte. Und ein großer Gesellschaftsroman.
Tonio Schachinger: Echtzeitalter (Rowohlt) Euro 25,- , als Hörbuch gelesen von Johannes Nussbaum (Argon Verlag)