Es ist nun mal das Talent eines Schriftstellers sich authentisch wirkende Geschichten ausdenken zu können, aber wie der 1985 geborene Florian Dietmaier ein Diplomatenleben von 1960 bis heute lebendig werden lässt, ist ganz große Klasse. Was für eine Recherche muss er dafür betrieben haben!
Peter, Jahrgang 1929, lebt ein klassisches Diplomatendasein: er muss regelmäßig seinen Wohnort wechseln, die Welt bereisen und in unterschiedlichen politischen Ämtern Lösungen verhandeln, Strippen im Hintergrund ziehen, im Vordergrund taktvoll sein sowie Familie und Karriere unter einen Hut bringen. Kurzum, er muss viele Kompromisse eingehen. Ob die erste Reise ins Königreich Sikkim, Apartheidpolitik Anfang der 1970er-Jahre in Südafrika, ein Kinobesuch im Schwarzwald, natürlich Waldheim oder das Umgarnen der Liechtensteiner Familie Hilti – immer wirkt es als wären es die echten Erinnerungen des Berufsdiplomaten. Akribisch recherchiert wirft der schmale Roman Schlaglichter auf unbekanntere Episoden der Weltgeschichte zwischen 1960 und 2020, rückt Klein- und Kleinststaaten in den Fokus, zeigt deren Bedeutung im Getriebe der großen Politbühne und den Wandel der Zeit. So ein Diplomatenleben ist natürlich sehr familienfeindlich, dass es deswegen zu Brüchen kommt, muss hingenommen werden. Und die Frage nach einem anderen Ort oder einem fixen Zuhause, kann nur als „Hättiwari“ beantwortet werden.
Nur ganz selten lässt Dietmaier seinen Diplomaten Süffisanz angedeihen, der Rest ist Diplomatensprech at ist best. Es ist ein zeitgeschichtliches Dokument verfasst in Romanform – großartig!
Florian Dietmaier: Die Kompromisse (Droschl) Euro 22,-