Weggehen oder Ankommen?

Um es gleich zu sagen, im Gegensatz zur Autorin, die sehr subtil ihren Roman aufbaut, nach 188 Seiten ist man traurig, dass Schluss mit dieser Geschichte aus dem Salzburger Innergebirg ist. Man könnte mindestens doppelt so lange daran lesen und sich an den lakonisch-trockenen Beobachtungen freuen.
Ein einziger Fehler katapultiert Julia aus ihrem Job als Krankenschwester zurück in ihr altes Leben im Dorf. Dort scheint alles noch schlimmer: Die Fabrik, in der das halbe Dorf gearbeitet hat, existiert nicht mehr. Der Vater ist in einem bedenklichen Zustand, die Mutter hat ihn und den kranken Bruder nach Jahren des Aufopferns zurückgelassen und einen Neuanfang gewagt. Birnbacher gelingt es mit ganz kurzen Bildern das Leben einer enttäuschten Landgemeinde präzise einzufangen: „Wir essen die Suppe, als wäre sie ein Auftrag, den es abzuarbeiten gilt.“
Sie arbeitet sich ab an der von Existenzsorgen geplagten Bevölkerung, wo oft nur Sprachlosigkeit und starker Alkoholkonsum vorherrscht. „Die Umgebung mit den Umständen verwechseln und vergessen, dass wir einfach gehen können.“ Und obwohl sie sich immer vorsagt, dass sie nur zur Überbrückung wieder hier im Elternhaus lebt, fängt sie langsam an, sich eine Zukunft dort vorstellen zu können. Jeder Atemzug ist für die Asthmakranke eine Befreiung und wenn sie Bestätigung durch einen Städter erfährt, den es ebenso aus Salzburg raus, dorthin verschlagen hat, schöpft sie Hoffnung.
So nüchtern Birnbacher die Situation analysiert, merkt man immer wieder eine große Verbundenheit mit dem Landleben an, ohne je in eine „Servus am Lande-Mentalität“ zu verfallen.
Birgit Birnbacher: Wovon wir leben (Zsolnay) Euro 24,-

Die Autorin befindet sich auf ausgedehnter Lesetour