„Weibliche“ Komödien

Produzentin Ursula Wolschlager über den Film der Stunde: Kaviar

Justament nach Auftauchen des Ibiza-Videos kam die Komödie „Kaviar“ ins Kino. Darin federführend russische Oligarchen, zwielichtige Politiker und gewitzte Frauen. Produzentin Ursula Wolschlager über Entstehung und künftige Projekte Ihrer Witcraft Filmproduktion.


Culture-Clash-Komödien funktionieren über die Überspitzung der gezeigten Charaktere. Spätestens seit Ibiza wissen wir, dass die Realität den Film rechts überholt hat. Hätten Sie sich das je in der langen Entstehungsgeschichte von Kaviar gedacht?
WOLSCHLAGER: Ja, da wurde wohl unfreiwillig Marketing für unseren Film betrieben. Das Drehbuch stieß anfangs nicht nur auf Zustimmung, da von manchen die Kritik kam, dass wir zu klischeehaft arbeiteten, dh. die Frauen alle wunderschön, sexy in High Heels und die Männer gierig und dumm. Quod erat demonstrandum! Um nicht zu viel vom Plot zu verraten, aber es werden die Rollen in diesem Film komplett umgedreht, die Künstlerin macht nicht nur antikapitalistische Kunst, die Russin aus dem Internet stellt sich als sehr schlau an und die Männer werden von Lenin verjagt.

Sehen SIe den Film eher als Culture-Clash-Komödie oder einer Screwball-Comedy?
WOLSCHLAGER: Ich denke, er hat von allem etwas, von der Regisseurin Elena Tikhonova kommen eher die Russlandbezüge, ich habe den feministischen Blick und Mitdrehbuchautor Robert Buschwenter hat – obwohl gebürtiger Südtiroler – noch das typisch Wienerische Haweratum hineingebracht. Es werden dabei aber alle Vorurteile überzeichnet und gebrochen, neu für den österreichischen Film ist, dass in einer Komödie eine Frauenfreundschaft im Mittelpunkt steht.

Sehen Sie Ähnlichkeiten mit dem Film „Anna Fucking Molnar“ bei dem sie gemeinsam mit Nina Proll das Drehbuch schrieben?
WOLSCHLAGER: Insoferne, dass es die erste weibliche Hauptrolle in einer österreichischen Kinokomödie seit vielen Jahren war, bis dahin hatten wir es, sobald es im Kino lustig wurde, fast nur mit Männergeschichten zu tun.

Inwieferne war es von Produktionsseite mutig, eine Spielfilmkomödie von einer Debütantin machen zu lassen?
WOLSCHLAGER: Elena ist ein unglaublich kreativer, übersprudelnder Geist, der viel strukturelle Unterstützung braucht und nachdem ich jahrelang in Russland gelebt hatte und dort auch meine ersten filmischen Erfahrungen machte, kenne ich die Mentalität einigermaßen. Glauben Sie mir, es war teils sehr anstrengend, da uns in letzter Minute noch der vorgesehene Schauspieler für den Oligarchen ausfiel, am Set ein ziemliches Sprachenpotpourri herrschte, wir ein Budget von 2 Mio Euro hatten, aber gleichzeitig in 48 verschiedenen, von Hannes Salat und Julia Oberndorfinger ausgewählten, Luxuslocations bzw. auf der Schwedenbrücke drehten. Für Kameramann Dominik Spritzendorfer war es ebenfalls sein Spielfilmdebüt, wir hatten öfters mehrere Drehortwechsel an einem Tag, es war für alle Beteiligten eine große Herausforderung, aber ich hoffe, es hat sich ausgezahlt.

Wie kam es zur Koproduktion mit Novotny& Novotny und der MR-Film?
WOLSCHLAGER: Ich bin schon solange in der Filmbranche tätig, dass ich sehr viele gute Kontakte habe. Mit Alexander Glehr von Novotny habe ich bis dato an fünf Filmen gearbeitet, es war naheliegend, ihn zu kontaktieren und die MR Film ist mit Referenzmitteln als Koproduzent beteiligt.

Ihre eigene Firma Witcraft war bis dato vor KAVIAR hauptsächlich in der Entwicklungs- bzw. Packaging-Phase aktiv. Was kann man sich darunter vorstellen und was ist das von Ihnen initiierte Projekt „Diverse Geschichten“?
WOLSCHLAGER: Kurz gesagt wir übernehmen nicht nur die dramaturgische Beratung sondern die volle Verantwortung in der jeweiligen Phase. In unserer Fortbildungsschiene betreiben wir das interkulturelle Projekt „Diverse Geschichten“, in dem wir seit 2009 an die 90 Stoffe entwickelt mit mittlerweile renommierten RegisseurInnen wir Umut Dag, Catalina Molina, Nathalie Borgers oder Arman T. Riahi. In einem mehrmonatigen Programm werden in Workshops und individuell betreuten Arbeitsprozessen Langspielfilm- oder Serienideen zu Treatments und Drehbüchern ausgearbeitet. Dabei geht es wesentlich um die Entwicklung stimmiger filmischer Erzählhaltungen und das Erlernen und Ausführen geeigneter Erzähltechniken. In speziellen, teilweise durch GastlektorInnen aus der österreichischen und internationalen Filmbranche abgehaltenen Coachings, werden darüber hinaus pragmatische Fertigkeiten wie das Verfassen von Projektunterlagen oder die gezielte Vorbereitung von Projektpräsentationen (Pitchings) trainiert.

Sie selbst haben offensichtlich mit Ihrem neuen Projekt „Meet your Faker“ erfolgreich gepitcht, wie lief das ab bzw, worum geht es da?
WOLSCHLAGER: Das soll eine Politserie, vielleicht für arte werden, in der es um wieder ein sehr aktuelles Thema geht, nämlich Journalismus und fake news. Das Drehbuch wurde auf Englisch verfasst, da es eine internationale Produktion werden soll. Bei dem in Frankreich stattfindenden Messe TV-Festival „Séries Series“ wurde das Projekt von Investoren höchst interessiert begutachtet und das sind kapitalistisch agierende Investmentfirmen, die genau wissen, wo sie ihr Geld reinstecken. Ich bin guter Dinge!

KAVIAR – jetzt im Kino
Ein größenwahnsinniger russischer Oligarch will mitten in der Wiener Innenstadt eine Villa bauen – auf der Schwedenbrücke! Seine Dolmetscherin Nadja und ihre Freundinnen haben frei nach der Parole „Ran ans Kapital!“mit dem Schmiergeld ihre eigenen Pläne… Die austro-russische Regisseurin Elena Tikhonova nutzt ihren Insider-Blick auf die russische Schickeria in Wien für eine rasante Culture-Clash-Komödie.
https://www.thimfilm.at/filmdetail/kaviar

Anm. der Redaktion:
In der Printausgabe wurde Frau Wolschlager falsch zitiert und zwar im Zusammenhang mit dem Film „Anna Fucking Molnar“, über den sie sagt: „es war die erste, weibliche Hauptrolle in einem österreichischen Film“.
Das hat Frau Wolschlager nie so gesagt, sondern wie es richtigerweise heißt: „die erste weibliche Hauptrolle in einer österreichischen Kinokomödie seit vielen Jahren“.
Wir bitten bei der Produzentin und den LeserInnen für diese grobe Nachlässigkeit um Entschuldigung.