Der Vielschreiber Richard Russo legt mit diesem umfangreichen Roman wieder ein Sittenbild des ländlichen Amerikas vor, das bei ihm nicht sehr gut wegkommt. Alkohol, Gewalt, Sprachlosigkeit eint die Gesellschaft über die er schreibt, immerhin der dritte Band, der im fiktiven Ort North Bath in Upstate New York spielt. Umrahmt wird die Geschichte von einem Kriminalfall, der aber weniger spannend ist als die diversen Familiengeschichten.
North Bath, Upstate New York, steht vor großen Veränderungen: Die Kleinstadt ist eingemeindet worden. Obendrein taucht in einem Hotel genau in der Mitte zwischen North Bath und Schuyler Springs – dem Annektierer – eine Leiche auf. Polizeichefin Charice Bond, die erste Schwarze Frau auf diesem Posten, ist aufs Äußerste gefordert, nicht nur weil sie ihren Ex (und ehemaligen Vorgesetzten) zur Aufklärung des Falls hinzuzieht. Unterdessen arbeitet sich College-Professor Peter Sullivan immer noch an seinem verstorbenen Vater ab – und sieht sich gleichzeitig mit der zerrütteten Beziehung zu seinem Sohn Thomas konfrontiert. Am anderen Ende von North Bath kämpfen Ruth und ihre Tochter Janey darum, ihre Familie zusammenzuhalten. Inmitten all dessen rätseln die Bewohner der Stadt, was es mit der nicht zu identifizierenden Leiche auf sich hat. Wer von ihnen könnte unbemerkt verschwunden sein?
Russo behält bei all seinen verschiedenen Fährten die Zügel sicher in der Hand und lässt seine Hauptperson Kaymer darüber nachdenken, „wie komplex und vielschichtig selbst einfache Leben sein konnten, wie sie sich manchmal auf merkwürdige, unvorhersehbare Weise kreuzten, wie Menschen genau im richtigen Moment wie von Zauberhand irgendwo auftauchten, andere wiederum genau im falschen…“
Richard Russo stellt sich in diesem Roman nicht nur der Frage, wie wir dem Fluch entkommen können, dass wir unseren Eltern immer ähnlicher werden – er verhandelt auch Themen wie das Sterben amerikanischer Kleinstädte, Rassismus und Polizeigewalt. In ›Von guten Eltern‹ kehrt er zurück zu den Figuren aus ›Ein grundzufriedener Mann‹ und ›Ein Mann der Tat‹ und zeichnet dabei das Porträt einer Arbeitergemeinde im Wandel, von denen vermutlich viele eine Baseballkappe mit dem unsäglichen Spruch „Make America great again“ tragen.
Richard Russo: Von guten Eltern (Dumont), aus dem Englischen von Monika Köpfer Euro 28,-